SPD:Pistorius: Von der Obergrenze der CSU bleibt nichts übrig

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Das Sondierungspapier sei, so Pistorius, im Migrationsteil in der Öffentlichkeit falsch interpretiert worden. (Foto: dpa)

Der SPD-Innenminister von Niedersachsen lobt das Sondierungsergebnis und erklärt, warum der Migrationsteil in der Öffentlichkeit falsch interpretiert worden sei.

Von Heribert Prantl, München

Boris Pistorius, der niedersächsische Innenminister von der SPD, hat das Flüchtlings- und Migrationskapitel des Sondierungsvertrags zwischen CDU, CSU und SPD vehement verteidigt. Das Papier, sagte Pistorius im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung, sei in diesem Punkt "viel besser als sein Ruf". Es werde falsch interpretiert. Der SPD sei es gelungen, eine "Firewall" für den Bestand des Asylgrundrechts einzuziehen. Dieses bleibe funktionsfähig - für jeden, der Schutz brauche.

Pistorius bestreitet, dass sich die SPD auf die CSU-Forderung nach einer Obergrenze eingelassen habe. Wer den einschlägigen "von uns bewusst verschwurbelt formulierten Satz" im Sondierungspapier sorgfältig lese, dem sei klar, dass die dort genannte Zahl sich nicht auf Asylbewerber beziehe, sondern auf sonstige Migranten. Jeder Asylbewerber habe, auch jenseits irgendwelcher Zugangszahlen, Anspruch auf Prüfung und gegebenenfalls Schutz.

Wie sich die Verschlungenheit des wichtigsten Satzes erklärt

Der einschlägige Satz im Sondierungspapier lautet: "Bezogen auf die durchschnittlichen Zuwanderungszahlen, die Erfahrungen der letzten zwanzig Jahre sowie mit Blick auf die vereinbarten Maßnahmen und den unmittelbar steuerbaren Teil der Zuwanderung - das Grundrecht auf Asyl und die Genfer Flüchtlingskonvention bleiben unangetastet - stellen wir fest, dass die Zuwanderungszahlen (inklusive Kriegsflüchtlinge, vorübergehend Schutzberechtigte, Familiennachzügler, Relocation, Resettlement, abzüglich Rückführungen und freiwilligen Ausreisen künftiger Flüchtlinge und ohne Erwerbsmigration) die Spanne von jährlich 180 000 bis 220 000 nicht übersteigen werden."

Laut Pistorius ist diese Formulierung in zweistündigem erbittertem Ringen zwischen SPD und CSU entstanden. So erkläre sich die "Verschlungenheit" des Satzes. Man müsse aber keinen Master-Studiengang in Germanistik absolviert haben, um zu erkennen, dass das klassische Asylgrundrecht davon nicht tangiert sei. Es handle sich bei der Zahlenangabe um eine "ausschließlich deskriptive Angelegenheit", also um einen beschreibenden, nicht normativen Satz. Pistorius: "Auch ein Flüchtling, der als 220 001. nach Deutschland kommt, hat künftig nach Artikel 16 a Grundgesetz Anspruch auf Prüfung, Schutz und Hilfe." Wenn man den fraglichen Satz mit Verstand lese, "dann bleibt von der Obergrenze der CSU nichts übrig".

Pistorius verwies darauf, dass im Sondierungspapier die Integration deutlich gestärkt werde. Flüchtlingen mit dauerhafter Bleibeperspektive müsse der Staat Angebote für "Sprache und Arbeit" machen. Aber auch für alle anderen Flüchtlinge, bei denen die Ausreise kurzfristig nicht zu erwarten sei, werde es mit einer künftigen großen Koalition "Angebote für Spracherwerb und Beschäftigung geben". Das habe man der Union abgetrotzt.

Die Vereinbarungen zum Familiennachzug, so Pistorius, seien freilich derzeit noch unbefriedigend. Die SPD werde bei Koalitionsverhandlungen versuchen, Härtefallregelungen zu erreichen. Pistorius versicherte, er könne dem Parteitag ein Flüchtlings- und Migrationsrecht versprechen, "für das kein Sozialdemokrat sich genieren muss". Mitregieren sei, so Pistorius, besser, als den anderen die Gestaltung der Zukunft zu überlassen.

© SZ vom 19.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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