Nach langen Überlegungen hat sich Verteidigungsminister Boris Pistorius entschieden, dass er sich bei der nächsten Bundestagswahl erstmals um ein Mandat für den Deutschen Bundestag bewerben will. Wie die Süddeutsche Zeitung aus Parteikreisen erfuhr, will der SPD-Politiker im Bundestagswahlkreis Stadt Hannover II antreten. Diesen Wahlkreis hatte bei der Wahl im Jahr 2021 die SPD-Politikerin Yasmin Fahimi gewonnen – sie ist inzwischen jedoch Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) und bewirbt sich folglich dort nicht erneut um ein Mandat.
Der Schritt birgt eine gewisse Brisanz, gerade wegen der Debatte, ob Pistorius, seit Monaten der beliebteste Politiker des Landes, nicht der erfolgversprechendere Kanzlerkandidat für die SPD wäre. Die Unterbezirksvorsitzenden der Region Hannover, Leyla Hatami und Steffen Krach, informierten entsprechend die Gremien – Pistorius begründet das auch damit, dass er als Landesminister lange in Hannover gelebt und gearbeitet hat. Zunächst hatte Pistorius sondiert, ob er im Wahlkreis Osnabrück antreten könnte für seine Partei. In seiner Heimatstadt war der 64-Jährige von 2006 bis 2013 Oberbürgermeister. Es war ein Amt, das ihn stark geprägt und aus dem er seinen pragmatischen Politikstil abgeleitet hat. Aber der SPD-Abgeordnete Manuel Gava, der den Wahlkreis Stadt Osnabrück 2021 gegen den CDU-Abgeordneten Mathias Middelberg gewonnen hatte, möchte hier erneut für die Sozialdemokraten antreten.
In Umfragen ist er deutlich beliebter als der Bundeskanzler
Pistorius wollte es nicht auf einen Machtkampf ankommen lassen, zwischenzeitlich war unklar, ob er sich überhaupt um ein Bundestagsmandat bewirbt. Bei der vergangenen Bundestagswahl war Pistorius nicht angetreten, er wurde im Januar 2023 dann aber Nachfolger der zurückgetretenen Verteidigungsministerin Christine Lambrecht.
Er selbst betont stets, Kanzler Olaf Scholz sei für die nächste Bundestagswahl wieder als Kanzlerkandidat gesetzt. Wegen der schwachen Werte für ihn wird aber in der SPD sehr wohl diskutiert, ob nach den Erfahrungen mit dem Wahlsieg von SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke in Brandenburg nicht auch Pistorius als Kandidat im Bund die Werte der Partei wieder mehr nach oben ziehen könnte. In einer Umfrage wurde er zuletzt von den Befragten auch als deutlich beliebter im Vergleich zu Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz eingestuft.
Als ihm jüngst in Brandenburg im Straßenwahlkampf ein Bürger sagte, er, Pistorius, müsse ran und auf das Beispiel des Kandidatentausches von Joe Biden zu Kamala Harris bei den US-Demokraten verwies, sagte Pistorius: „Man kann viele Ideen haben. Ich habe diese Idee nicht.“ Er könne zur K-Frage die Antwort in immer neuen Worten geben. „Aber es bleibt immer die gleiche Antwort.“
Die SPD-Spitze und die Ministerpräsidenten betonen, das man auf Scholz setzen will, allerdings hält man sich alle Optionen offen. Gibt es keinen Bruch der Ampelkoalition und vorgezogene Neuwahlen, soll der Kanzlerkandidat der SPD offiziell erst auf einem Parteitag Ende Juni 2025 gekürt werden. Sollte es für die SPD nach der nächsten Bundestagswahl nur zu einer Juniorrolle in einer Koalition mit der Union reichen, wird Pistorius wegen des Dauerthemas irreguläre Migration und den weiteren Herausforderungen auch als Kandidat für das Amt des Bundesinnenministers gehandelt – er hat hier in zehn Jahren als niedersächsischer Landesinnenminister einige Erfahrungen sammeln können.