Süddeutsche Zeitung

SPD-Parteitag in Nordrhein-Westfalen:Die 99-Prozent-Kraft

Hannelore Kraft überzeugt auf dem Parteitag mit klassischer SPD-Rhetorik. Ihre Rede war aber auch eine Bewerbung für das Amt der Ministerpräsidentin - doch da ist die Aussicht wenig rosig.

D. Graalmann

Der Ort für den Landesparteitag war mit Bedacht gewählt. Nirgendwo sonst fühlt sich die nordrhein-westfälische SPD so heimisch wie in Dortmund, der vermeintlichen "Herzkammer der Sozialdemokratie".

Von hier aus, sagte NRW-SPD-Generalsekretär Michael Groschek zum Auftakt des zweitägigen Parteitages, solle "das Signal ausgehen, dass dies der letzte Parteitag als Oppositionspartei auf lange, lange Zeit ist." Der CDU dagegen, sagt Groschek, verspreche er "Regeneration in der Opposition".

Dabei sind die Aussichten der SPD für die Landtagswahl am 9. Mai nicht besonders rosig. Die Sozialdemokraten unter ihrer Partei- und Fraktionschefin Hannelore Kraft liegt in allen Umfragen hinter der CDU von Ministerpräsident Jürgen Rüttgers zurück, derzeit würde einzig eine rot-rot-grüne Koalition eine Mehrheit erreichen können. Zu diesem Bündnis aber sagte Hannelore Kraft in ihrer knapp 60-minütigen Rede am Freitag nicht ein einziges Wort.

"Wir in NRW. Mutig - Herzlich - Gerecht", hieß das Motto des Parteitages. Und vor allem das Herz betonte die 48-Jährige, die am frühen Freitagabend im Amt der Landesvorsitzenden bestätigt wurde. Sie erhielt 413 Ja- und nur drei Nein-Stimmen - 99 Prozent der Stimmen. In einem thematischen Rundumschlag betonte Kraft den Anspruch der SPD , "die Kümmererpartei" zu sein, während die schwarz-gelbe Koalition "die Entsolidarisierung der Gesellschaft" anstrebte.

Knapp eine Stunde sprach Kraft zu den 450 Delegierten in der Dortmunder Westfalenhalle, schrie am Ende ihre Forderungen in den Saal zu den Delegierten, der anschließend knapp vier Minuten stehend applaudierte. "Wir haben den Mut, Strukturen zu verändern und es wird Zeit, dass sie verändert werden", hatte Kraft betont.

Und daraus vor allem einen umfangreichen Forderungskatalog entwickelt: Kostenfreie Bildung vom Kindergarten bis zur Hochschule, mehr Sozialarbeiter und bessere Vorsorge, "damit kein Kind mehr verloren geht", mehr Mitbestimmung, Wiedereinführung des Tariftreuegesetzes, Mindestlöhne, Begrenzung der Leih- und Zeitarbeit, und nicht zuletzt eine Übernahme der kommunalen Schulden durch das Land in einer Art "Bad Bank".

"Es soll wieder Spaß machen, die SPD zu wählen"

Es war in der Rede viel traditionelle SPD zu spüren, es war von Aufstieg die Rede, von den Schwächsten der Gesellschaft, von Kinden, Alleinerziehenden und Armen. Sie wolle "nah bei den Menschen sein", hatte Kraft zuvor betont: "Da, wo wir Sozialdemokraten hingehören."

Und so erzählte sie in ihrer mäandernden Rede ausgiebig von ihren Besuchen in Handwerksbetrieben und im Altenheim, wo sie jeweils einen Tag mitgearbeitet habe. "Initiative Tatkraft" haben die Sozialdemokraten die Tour genannt, bei der Hannelore Kraft, wie der SPD-Werbetrailer feststellte, "Menschen getroffen hat".

Es war eine Bewerbungsrede für das Amt der Ministerpräsidentin, die sich an das richtete, was Berichterstatter dann gerne "Seele der Partei" nennen. Dazu gehört auch, dass der Forderungskatalog zwar opulent ausfällt, die Vorschläge zur Finanzierung dagegen naturgemäß etwas dünner.

"Wir werden mehr Geld brauchen", sagte Kraft, und nannte Vermögensteuer, Erhöhung des Spitzensteuersatzes und die Börsenumsatzsteuer als einzige Instrumente. Die Delegierten goutierten den Weg zurück zu vermeintlich klassischer SPD-Politik. Der SPD-Generalsekretär Groschek hatte das passende Motto dazu geprägt: "Es soll wieder Spaß machen, die SPD zu wählen."

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SZ vom 27.02.2010
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