SPD:Spekulationen um Parteispitze setzen Klingbeil unter Druck

Statement von SPD-Generalsekretär Klingbeil zu Sarrazin

Offiziell hat Lars Klingbeil noch nicht erklärt, ob er SPD-Chef werden möchte. Intern hat der Generalsekretär Interesse erkennen lassen.

(Foto: Philipp Schulze/dpa)
  • Das Redaktionsnetzwerk Deutschland meldete, Niedersachsens Ministerpräsident Weil habe erklärt, nicht kandidieren zu wollen.
  • Stattdessen wolle er Generalsekretär Lars Klingbiel unterstützen. Dabei gibt es auch Interessenten in Weils eigener Landesregierung.
  • Derweil stecken andere Kandidaten für die SPD-Spitze schon mitten im Wahlkampf.

Von Mike Szymanski, Berlin

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil wollte diese Woche eigentlich weitgehend abschalten. Wandern gehen. Nicht viel hören, nicht viel sagen - zumindest was die große Politik angeht. Pause machen. Der Herbst wird anstrengend - seine Partei sucht nach dem Rückzug von Andrea Nahles eine neue Spitze. Und dieses Mal sollte die Nachfolge, so hat es Klingbeil oft in den vergangenen Wochen formuliert, nicht in Hinterzimmern geregelt werden. Es sollten auch keine "alten Rituale" der Machtpolitik zum Tragen kommen. Er, als Generalsekretär, machte sich besonders stark dafür, dass die Mitglieder mitentscheiden sollen. Dass jetzt Offenheit und Transparenz herrscht. Und dann kam der Montagabend in seinem Urlaub und der Eindruck, dass in der SPD doch noch vieles einfach so läuft wie immer.

Die Zeitungen des Redaktionsnetzwerkes Deutschland meldeten, der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil habe bei einer Telefonschalte mit den kommissarischen Parteichefs erklärt, nicht kandidieren zu wollen. Stattdessen werde er Lars Klingbeil bei seiner Bewerbung unterstützen. Beide, Klingbeil und er, kommen aus Niedersachsen, einem mächtigen wie mitgliederstarken Landesverband. In der Parteizentrale in Berlin, aber auch in Hannover herrschte daraufhin Verwunderung. Am Dienstag hieß es dann: "Diese Nachricht können wir nicht bestätigen", bei dem Bericht handle es sich um "reine Spekulation".

Innenminister Pistorius ist mit seinem Chef in Hannover schon aneinandergeraten

Das heißt aber noch lange nicht, dass es nicht auch so kommt. Plausibel wäre ein solches Szenario. Und doch, der Vorgang bringt die Niedersachsen-SPD in gewisse Nöte. Denn es wird offenkundig, dass es hinter den Kulissen weit weniger harmonisch zugeht als die Partei nach außen den Anschein zu machen versucht: Von Weil ist bekannt, dass er eigentlich gerne in Niedersachsen bleiben will. Andererseits gehört er zur Führungsreserve. Wenn bei der Suche nach einer neuen Spitze - es soll gerne ein Doppel sein - sich niemand von politischem Gewicht meldet, dürfte er sich gefordert fühlen, doch anzutreten. Weil taktiert, und das seit Wochen. Und weil der 60-Jährige nach diesem Bericht immer noch nicht Klarheit darüber schafft, was er will, verstärkt sich dieser Eindruck noch weiter.

Weil hat das erste Zugriffsrecht. Daher können auch nicht die anderen aus der Niedersachsen-SPD in die Offensive gehen, die entschlossener sind. Klingbeil, 41, hat erkennen lassen, dass er Interesse hat. Aber auch Boris Pistorius, 59 Jahre alt und Innenminister in Niedersachsen, werden Ambitionen nachgesagt. Sollte Weil tatsächlich intern erklärt haben, zugunsten von Klingbeil zu verzichten, wäre das für Pistorius bitter. Als Innenpolitiker hat er sich profiliert. Pistorius hat durchaus seine Anhänger in der Partei, in Niedersachsen und über das Land hinaus. Dass er sich ein zupackenderes Verhalten als Weil zur Rettung der SPD wünscht, ist kein Geheimnis. In dieser Frage sind beide schon aneinandergeraten. Läuft die Kandidatur tatsächlich auf Klingbeil hinaus, müssten Weil und er aber auch nach dieser unschönen Episode in Niedersachsen weiter zusammenarbeiten.

Für die Kandidatur müsste Klingbeil rasch eine Partnerin präsentieren

Für Klingbeil wird nach dieser Woche auch nichts wirklich einfacher: Plötzlich so prominent als möglicher Kandidat gehandelt zu werden, setzt ihn unter Druck. Klingbeil ist Verfechter der Doppelspitze. Der Parteivorstand hat ausdrücklich Team-Kandidaturen befürwortet. Klingbeil wird - sofern er antritt und die Gespräche nicht schon geführt hat - rasch eine Partnerin suchen und präsentieren müssen. Das Verfahren, für das er sich so eingesetzt hat, überrumpelt ihn quasi gerade selbst. Als Generalsekretär hat er eine gemischte Bilanz vorzuweisen. Er trägt Mitverantwortung für die jüngsten Wahlniederlagen. Aber er hat den Draht zu den Jüngeren in der Partei und beherrscht deren Themen.

Während die Niedersachsen-SPD sich munter mit sich beschäftigt, legen sich andere mächtig ins Zeug, Unterstützer zu sammeln. Zwei Bewerberteams gibt es schon: Europa-Staatsminister Michael Roth und die ehemalige nordrhein-westfälische Familienministerin Christina Kampmann sowie die Bundestagsabgeordneten Karl Lauterbach und Nina Scheer. Lauterbach und Scheer fehlt noch die nötige Mindestunterstützung aus der Partei, sie müssen entweder fünf Unterbezirke, einen Bezirk oder einen Landesverband hinter sich vereinen. Das Team Roth/Kampmann ist schon fleißig im Land unterwegs.

Der bayerische Landtagsabgeordnete Markus Rinderspacher hatte die beiden Bewerber am Montag in ein Münchner Wirtshaus eingeladen, um mit ihnen über ihre Pläne für die SPD zu diskutieren. Mehr als hundert Gäste seien gekommen. "Das Publikum war restlos begeistert", erzählt er. Die beiden Politiker hätten sich hervorragend präsentiert. "Mir gefällt, wie sie die Kandidatur mit Mumm angehen und ohne taktische Überlegungen, während andere noch abwarten." Das Treffen hatte er in Eigenregie organisiert.

Die SPD will nach Ablauf der Bewerbungsfrist den Kandidaten in mehr als 20 Regionalkonferenzen die Möglichkeit geben, sich zu präsentieren. Im Oktober sollen die Mitglieder zu ihren Favoriten befragt werden, der Parteitag soll dann im Dezember die neue Spitze wählen. Der Wettbewerb hat längst begonnen.

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