Potsdams Oberbürgermeister abgewählt„Menschlich gesehen ist es natürlich eine Tragödie“

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Mike Schubert (SPD), Oberbürgermeister von Potsdam, im vergangenen Jahr. Er hätte jetzt gern noch ein Jahr weitergemacht.
Mike Schubert (SPD), Oberbürgermeister von Potsdam, im vergangenen Jahr. Er hätte jetzt gern noch ein Jahr weitergemacht. (Foto: Christoph Soeder/DPA)

Knapp, aber klar haben die Potsdamer ihren Oberbürgermeister abgewählt. Mike Schubert hat die Macht lange nicht abgeben wollen. Jetzt bleibt ihm noch eine Woche.

Von Jan Heidtmann, Berlin

Potsdam zu regieren, das war immer ein Lebenstraum für Mike Schubert. „Potsdam ist meine Heimat – und es war mir eine Ehre, ihr in dieser Funktion dienen zu dürfen“, sagte der Oberbürgermeister, als schließlich klar war, dass es mit diesem Traum vorbei ist. Eine Woche hat Schubert, 52, noch diesen Job, bis der Wahlausschuss der Brandenburger Landeshauptstadt das amtliche Wahlergebnis feststellen wird. Spätestens dann muss er die Amtsgeschäfte abgeben – ein gutes Jahr vor der Zeit.

Selbst eine Intervention von Altkanzler Olaf Scholz hatte daran nichts mehr ändern können. Scholz lebt in Potsdam, am Sonntag postete er ein gemeinsames Foto mit Schubert und dankte dem Parteifreund für die „gute Arbeit für unser Potsdam“. Am Ende wählten die Potsdamer ihren Oberbürgermeister jedoch mit einem knappen, aber klaren Votum ab.

Fast alle Wahlkreise haben sich gegen Schubert ausgesprochen

Knapp deshalb, weil das notwendige Quorum des Bürgerbegehrens gerade so erreicht worden war: 36 228 von rund 143 000 Wahlberechtigten in Potsdam stimmten für ein Ende von Schuberts Amtszeit, also gerade einmal 464 mehr als notwendig. Klar war das Ergebnis dennoch, weil sich die Menschen in allen Wahlkreisen bis auf einen mehrheitlich gegen den Sozialdemokraten Schubert ausgesprochen haben. Er nehme dieses Ergebnis „mit Respekt an“, sagte Schubert noch. Es sei ein Ausdruck demokratischer Willensbildung: „Politische Ämter werden immer auf Zeit vergeben.“

Vertreter aller Parteien im Stadtrat gaben sich nach der Abwahl Schuberts erleichtert. „Das Ergebnis des Bürgerentscheids zeigt, dass unser Votum für einen Neuanfang in Potsdam richtig war“, hieß es bei der CDU. „Eine Verwaltungsspitze, die nicht blockiert, sondern bewegt – mit Kompetenz, Mut und einem offenen Ohr für die Menschen“, wünschten sich die Grünen. Thomas Bachmann, Co-Kreisverbandschef der SPD sprach zwar von einem „schwierigen Abend“ für die Potsdamer Sozialdemokratie, betonte dann aber: „Wir begrüßen außerordentlich, dass das Quorum erreicht wurde. Dadurch ist Klarheit geschaffen worden für die Stadt.“

Bereits im vergangenen Jahr gab es den Versuch, Schubert zu entmachten

Es war das Ende eines äußerst zähen Ringens zwischen den Stadtverordneten und dem Chef im Rathaus. Bereits im vergangenen Sommer hatte es einen Versuch gegeben, Schubert zu entmachten, damals fand sich jedoch noch keine Mehrheit. Ganz anders in diesem Frühjahr, als acht von neun der Fraktionen dafür stimmten; einzig die SPD hielt zu Schubert. Doch der weigerte sich zurückzutreten. „Ich bin direkt gewählt worden“, sagte Schubert damals, deshalb könnte er auch nur direkt abgewählt werden. Formal ist das richtig, denn nur die Potsdamer selbst können ihren Oberbürgermeister aus dem Amt wählen. Die Kosten für das Bürgerbegehren werden auf etwa 250 000 Euro geschätzt.

Vordergründig kam das Misstrauen gegenüber Schubert im April vergangenen Jahres auf. Da hatte die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen den Oberbürgermeister aufgenommen. Schubert soll teils gemeinsam mit seiner Frau kostenlos VIP-Tickets genutzt haben, um Sportveranstaltungen zu besuchen. Die Staatsanwaltschaft warf ihm Vorteilsnahme in 67 Fällen vor, im Dezember wurden die Ermittlungen gegen eine Geldauflage von 34 000 Euro eingestellt. Schubert selbst räumte Besuche ein, sieht sie aber als Teil seiner Repräsentationspflichten als Oberbürgermeister.

Tatsächlich erklärt die sogenannte Ticketaffäre nur einen kleinen Teil des Grolls, der sich in Potsdam gegen Schubert aufgestaut hatte. Die Stadtverordneten werfen ihrem Stadtoberhaupt schlicht Inkompetenz vor. „Schon in den vergangenen Jahren seiner Amtsführung zeigte die Stadtverwaltung trotz zusätzlicher Personalstellen in vielen Bereichen große Probleme, ihre Kernaufgaben in einer angemessenen Qualität und in zumutbaren Fristen zu erledigen“, heißt es in dem Abwahlantrag zur Begründung.

Beispiele dafür gibt es: die ungelöste Wohnungsnot, die Wartezeiten in den Bürgerämtern, ein massives Defizit im Haushalt. Außerdem sei das Verhältnis zu den Stadtverordneten dadurch belastet, „dass viele Beschlüsse gar nicht, unvollständig oder verspätet umgesetzt werden“, heißt es in dem Antrag weiter.

Schubert selbst hielt dennoch beharrlich an seinem Amt fest. So sehr, dass die frühere Stadtverordnete der Grünen, Janny Armbruster, am Sonntagabend feststellte: „Menschlich gesehen ist es natürlich eine Tragödie.“ Diesmal hat Schubert aber angekündigt, die Geschäfte geordnet übergeben zu wollen. In den nächsten Tagen wird deshalb sein Stellvertreter Burkhard Exner, SPD, das Amt kommissarisch übernehmen. Spätestens im Oktober können die Potsdamer dann einen neuen Oberbürgermeister wählen.

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