SPD:Neun für Steinmeier

Nach dem Wahldebakel will die SPD die Bundestagsfraktion zum Kraftzentrum machen - mit neun Stellvertretern des Fraktionschefs. Sie sollen den Ministern von Schwarz-Gelb Paroli bieten.

Susanne Höll

Wie ihre Fraktion geschmolzen ist, werden die sozialdemokratischen Bundestagsabgeordneten an diesem Donnerstag das erste Mal wirklich spüren. Im angestammten Saal des Reichstages werden dann noch 146 Parlamentarier sitzen, bis zum 27. September waren es noch 222.

SPD: Repräsentiert den Nachwuchs: Florian Pronold ist seit Juli Parteichef in Bayern, nun wird er auch Fraktions-Vize im Bundestag.

Repräsentiert den Nachwuchs: Florian Pronold ist seit Juli Parteichef in Bayern, nun wird er auch Fraktions-Vize im Bundestag.

(Foto: Foto: ddp)

Ihr Vorsitzender Frank-Walter Steinmeier hatte schon vor drei Wochen angekündigt, dass diese Fraktion nach dem niederschmetternden Ausgang der Bundestagswahl das neue Kraftzentrum der SPD werde. Der gescheiterte Kanzlerkandidat hat sich in zahlreichen und dem Vernehmen nach nicht immer ganz einfachen Gesprächen ein Führungsteam zusammengestellt, neun Stellvertreter also, die sich an diesem Donnerstag zur Wahl stellen.

Florian Pronold ist einer von denen, die nach dem Wahldebakel der SPD bei der Bundestagswahl in die Fraktionsspitze gelangen. Pronold ist 36 Jahre alt, sitzt seit 2002 im Bundestag, inzwischen auch Vorsitzender der gebeutelten Bayern-SPD, zählt zum linken Parteiflügel, hat sich über die Parteigrenzen hinaus einen Ruf als Finanzexperte erarbeitet und wäre wohl auch dann in den engeren Führungszirkel aufgestiegen, wenn die Sozialdemokraten den Sprung in die Regierung noch einmal geschafft hätten.

Doch um Finanzen wird er sich künftig nicht mehr kümmern, stattdessen um Verkehr und Städtebau. Pronold sagt, er freue sich auf die neue Aufgabe, möchte über innovative Verkehrssysteme nachdenken und meint, gerade auf diesem Feld könne die SPD zeigen, wie eine "ökologische Zukunft der Industriepolitik" aussieht. Doch man darf davon ausgehen, dass Pronold, hätte er die Wahl gehabt, sich einen anderen Bereich ausgesucht hätte, wenn nicht Finanzen, dann vielleicht die Wirtschaft.

Eine Art Schattenminister

Doch beide Ressorts standen nicht mehr zur Verfügung. Wer welche Aufgabe im neuen Team erhielt, wurde nicht allein anhand fachlicher Überlegungen entschieden. Politische und persönliche Wünsche der Aspiranten und natürlich ihres neuen Vorsitzenden spielten eine Rolle, ebenso die Tatsache, dass sich die Fraktion ebenso wie ihre Führung nach elf Jahren in der Opposition neu aufstellen muss. In den vergangenen elf Jahren traten die meisten Vize-Vorsitzenden öffentlich eher zurückhaltend in Erscheinung, ihre Aufgabe war es nicht, die Regierung zu kritisieren, sondern sie zu unterstützen.

Das wird nun anders werden. Steinbrücks Stellvertreter hat man sich vorzustellen als eine Art Schattenminister - sie müssen künftig den Ministern von Union und FDP Paroli bieten. Man darf davon ausgehen, dass die ehemalige brandenburgische Gesundheitsministerin Dagmar Ziegler deshalb als Fraktionsneuling gleich in die Spitze aufrückte, weil sie bereits Kabinetterfahrung hat. Ziegler ist zuständig für Familien und Frauen und hat in der Neuner-Riege noch eine weitere Rolle: Sie ist die einzige Ostdeutsche. Pronold wiederum repräsentiert nebenbei nicht nur den Nachwuchs, sondern auch Bayern. Für ihn als Landeschef ist das ein wichtiges Plus.

Baden-Württemberg wird nach dem informellen Proporzsystem durch den ehemaligen Staatsminister Gernot Erler vertreten, der das einzige SPD-Direktmandat im Süden Deutschlands holte und sich um Außenpolitik und Sicherheit kümmern wird. Steinmeier kennt ihn aus dem Ministerium. Hubertus Heil kennt er auch schon lange, der scheidende Generalsekretär und Vize für Wirtschaftsthemen wird neben dem Parlamentarischen Geschäftsführer Thomas Oppermann zu jenen gezählt, die Steinmeiers politischen Kurs mittragen. Dazu gehört auch Ex-Justizministerin Brigitte Zypries, die zwar nicht Stellvertreterin, aber Justiziarin wird und damit zum Führungskreis gehört. Auch der SPD-Finanz-Guru Joachim Poß aus Nordrhein-Westfalen ist für Steinmeier eine feste Bank.

Mit Verwerfungen bei den Wahlen wird nicht gerechnet, Kampfkandidaturen waren nicht in Sicht, die Parteiflügel haben unter dem Schock des Wahlresultats ihre Kämpfe zumindest vorerst eingestellt. Doch bis die Fraktion zum Kraftzentrum wird, dürfte noch Zeit vergehen. Einige aus der neuen Spitze müssen sich erst noch in ihre Aufgabengebiete einarbeiten. Hilfen aus Ministerien dürfen sie in der Opposition nicht mehr erwarten. Und die gesamte Fraktion muss sparen und in der kommenden Zeit angeblich auf etwa 50 Mitarbeiter aus dem Apparat verzichten.

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