SPD:Nahles soll Tempo machen

Zwei langjährige Bundestags-Abgeordnete fürchten ums "Überleben" als linke Volkspartei. Die Europawahl müsse "viel ernster" genommen werden als bisher. Einen konkreten Vorschlag dazu haben sie auch.

Von Mike Szymanski, Berlin

Angesichts des Umfragetiefs für die SPD wächst der Druck auf Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles, die Erneuerung der SPD zügig voranzutreiben. Vor der Fraktionsklausur Ende kommender Woche fordern zwei Parteiveteranen, die Bundestagsabgeordneten Axel Schäfer, 66, und Lothar Binding, 68, ihre Partei auf, stärker Profil als "deutsche Europapartei" zu zeigen und den anstehenden Europawahlkampf "viel ernster" zu nehmen.

Die Veteranen Schäfer und Binding zur Europawahl: "Wir haben eine Chance."

Konkret schlagen sie vor, den Spitzenkandidaten für die Abstimmung im Mai 2019 per Urwahl zu ermitteln. Die Partei solle "das Instrument der Mitgliederbeteiligung bei der Entscheidung über die Spitzenkandidatur zur Europawahl wieder nutzen", schreiben sie in einem vierseitigen Thesenpapier, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Die beiden SPD-Politiker können sich sogar vorstellen, "interessierte Bürgerinnen und Bürger" an dem Votum zu beteiligen, sofern sie keiner anderen Partei angehörten. "Ein solches Vorgehen würde zu einer verstärkten Mobilisierung und größerem öffentlichen Interesse beitragen." Bei der Europawahl 2014 war die SPD mit dem Spitzenkandidaten Martin Schulz auf 27 Prozent gekommen. Angesichts von Umfragewerten von etwa 20 Prozent derzeit gilt ein solches Ergebnis als schwierig. Derzeit ist die Parteispitze auf der Suche, wer die SPD 2019 in den Wahlkampf führen soll.

Binding und Schäfer sind unzufrieden, wie ihre Partei mit Europa als Thema zur eigenen Profilierung umgeht. Zwar beginne der Koalitionsvertrag "erfreulicherweise" mit Forderungen, wie Europa neuer Schwung verliehen werden könne. Von der SPD sei bislang aber nichts gekommen, was etwa den Reformvorschlägen des französischen Präsidenten Macron angemessen wäre. Das Etikett einer deutschen Europapartei könne "Alleinstellungsmerkmal" der SPD sein. Wichtig sei bei der Wahl Unterscheidbarkeit, Profil und klare Position. "Wir haben eine Chance", schreiben sie. Die Zustimmung für die EU sei heute so hoch wie zuletzt 1983. Die Wahl im Mai dürfe nicht zur Abstimmung werden, bei der Rechtsaußen-Vertreter in Europa "mehrheitsfähig werden und Europa als Gemeinschaft zerstören".

Wie ernst die Parlamentarier die Lage ihrer eigenen Partei einschätzen, zeigt sich am Titel des von ihnen verfassten Thesenpapieres. Darin ist von einer "Überlebensstrategie als linke Volkspartei" die Rede. Die SPD befinde sich in der "schwierigsten Situation" der jüngeren Geschichte. Binding und Schäfer plädieren zudem dafür, sich Linksbündnissen im Bund zu öffnen, in der großen Koalition müsse sich die Partei offensiver als bisher positionieren.

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