Süddeutsche Zeitung

Sozialdemokratie in der Krise:Verstaatlicht die SPD!

Die Partei steht für Solidarität und Gerechtigkeit. Doch die Grundversorgung der Bevölkerung mit diesen hohen Gütern ist in Gefahr: Deutschland muss gegensteuern!

Ein Gastbeitrag von Bruno Jonas

Wofür steht die SPD? Ist doch klar: Sie steht fürs Soziale, für Gerechtigkeit, für Solidarität, fürs menschliche Miteinander und für Respekt. So viel Respekt wie nach ihrem Entschluss, die Politik hinter sich zu lassen, hat Andrea Nahles nie erfahren.

Johannes Kahrs musste der mitfühlenden Öffentlichkeit mitteilen, es habe Standing Ovations gegeben, als Nahles in der Fraktion verkündete, von ihren Ämtern zurückzutreten. Das ist tröstlich und beruhigend. In schweren Stunden marschiert die SPD also nicht nur Seit' an Seit', sie steht auch für die Ironie ein - für den ernsten Schein.

Deshalb muss die Grundversorgung der Bevölkerung mit SPD auch künftig gesichert sein, ohne Bedürftigkeitsprüfung. Dornkaat und Steinhäger werden ja auch nicht vom Markt genommen, nur weil ein paar Abhängige auf alternative Energydrinks umsteigen; das Ungenießbare im Sortiment zeigt den Grad der herrschenden Freiheit an. Nun sind immer mehr Wähler so frei und wenden sich von der Sozialdemokratie ab.

Plädoyer für wöchentlichen Vorsitzenden-Wechsel

Der Wähler ist volatil, was Olaf Scholz glauben lässt, dass seine Partei bei der nächsten Bundestagswahl stärkste Kraft werden könnte. Er bewegt sich damit im bayerischen Irrealis: Kannt sei, kannt oba aa sei, dass net a so sei kannt. Nicht schlecht für einen Hanseaten!

Um diese SPD zu erhalten, müssten nun alle im Bundestag vertretenen Parteien mit einem "Gute-SPD-Gesetz" die Partei verstaatlichen oder, wie Kevin der Kühne sagen würde, "kollektivieren". Damit gehörte die SPD allen Deutschen. Und wer Vorsitzender der SPD wird, wäre eine Angelegenheit aller Deutschen. Zu klären wäre dann zuerst, ob die SPD mit einem einzigen Vorsitzenden wirklich ausreichend geführt werden kann.

Kommissarisch erledigen diese Aufgabe zurzeit drei. Doch wie lange werden sie diese Last tragen können? Pro Monat könnten künftig drei ständig rotierende Vorsitzende das Ruder übernehmen, um den Tanker durch die schwere See zu steuern. Da wäre Abwechslung drin, und die SPD könnte die Kompetenzen vieler Mitglieder nutzen. Diese Demokratisierung der Partei muss im Endstadium wöchentlich durchgeführt werden.

Das wären dann pro Monat zwölf und im Jahr 144 Vorsitzende. So käme jedes SPD-Mitglied in den Genuss politischer Verantwortung. Die SPD könnte sich auf ihre Kernkompetenzen besinnen und dem Anspruch der Erneuerung in Vollendung nachkommen.

Intrigen gegen die Parteispitze entfielen, da sie sich nicht mehr rentieren würden. Ein solches Verfahren würde dem Wähler Respekt abnötigen. Denn um Personen kann es nicht gehen. Auf, Brüder der Sonne, zur Freizeit!

Bruno Jonas, 66, ist Kabarettist.

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Quelle:
SZ vom 08.06.2019/odg
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