Süddeutsche Zeitung

Fraktionsvorsitz:SPD-Fraktion entscheidet am Dienstag über Nahles' Zukunft

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Von Mike Szymanski, Berlin

Die SPD steuert auf schicksalhafte Tage zu. Vor der Sondersitzung der SPD-Fraktion am Mittwochnachmittag haben führende Sozialdemokraten den Druck auf die Gegner von Fraktions- und Parteichefin Andrea Nahles erhöht, einen Gegenkandidaten für die vorgezogene Wahl zum Fraktionsvorsitz zu präsentieren. Andernfalls gelte es, Nahles als Chefin zu akzeptieren. "Ich kann nur sagen: Entweder Mut haben, selber in den Ring steigen, oder Klappe halten", sagte Fraktionsgeschäftsführer Carsten Schneider im "Morgenmagazin" der ARD.

Nahles hatte nach dem Debakel der SPD bei der Europawahl überraschend angekündigt, sich kommende Woche einer vorgezogenen Neuwahl in der Bundestagsfraktion stellen zu wollen. Nach einem Beschluss des Fraktionsvorstands vom Mittwoch findet die Wahl am kommenden Dienstag statt.

Nahles reagierte mit ihrem Vorstoß auch auf anhaltende Personalspekulationen, die vor den Wahlen zur Bürgerschaft in Bremen und zum Europaparlament eingesetzt und den Wahlkampfabschluss überlagert hatten. Karl-Heinz Brunner, Vizechef der bayerischen Abgeordneten, bestärkt Nahles in ihrem Vorstoß. Er sagte der Süddeutschen Zeitung: "Heckenschützen-Mentalität gehört nicht zur Sozialdemokratie." Jeder habe das demokratisch legitimierte Recht, Gegenkandidaten zu benennen und gegen jemanden zu kandidieren. Soweit er das für seine Landesgruppe mit 18 Parlamentariern beurteilen könne, sei sie "überwiegend" der Auffassung, dass Nahles jetzt richtig handelt.

Rückendeckung erfährt Nahles auch von Fraktionsvize Katja Mast. Es sei richtig, dass die Führungsfrage in der Fraktion jetzt gestellt werde - "und ich für meinen Teil finde, dass Andrea Nahles uns gut als Fraktionsvorsitzende führt", sagte die Sozialpolitikerin am Mittwoch. Zuvor hatte sich der Gesundheitspolitiker und Nahles-Stellvertreter Karl Lauterbach in der SZ dafür ausgesprochen, mit Nahles an der Spitze weiterzumachen.

Genauso aber schlägt Nahles heftige Kritik dafür entgegen, die Partei und Fraktion mit dem Vorschlag zu vorgezogenen Neuwahlen derart überrumpelt zu haben. Wolfgang Hellmich, Abgeordneter aus Nordrhein-Westfalen, empörte sich auf Twitter: "Das verstehe wer will. Ich nicht." So mit den Führungsgremien der SPD umzugehen, bezeichnete er als ein "No-go". Über diese Äußerung war er später mit anderen Parteikollegen in Streit geraten, den sie dann öffentlich in dem Kurznachrichtendienst austrugen.

Aus Kreisen der Fraktionsführung war am Mittwoch zu hören, die Lage der Partei sei "dramatisch". Gerade junge Abgeordnete, die mit der Wahl 2017 erstmals in den Bundestag einzogen, fühlten sich überfordert, in so kurzer Zeit eine Wahlentscheidung dieser Tragweite zu treffen. Denn sollte Nahles bei der Wahl scheitern, dürfte sie auch als Parteivorsitzende nicht mehr zu halten sein. Dies dürfte einer der Gründe sein, warum sich bis Mittwochmittag bislang noch kein Gegenkandidat aus der Deckung gewagt hat.

Eine deutliche Absage erteilte Ex-Parteichef Martin Schulz am Mittwoch: "Ich werde nicht für den Fraktionsvorsitz kandidieren", schrieb er in einer E-Mail an die SPD-Abgeordneten. Schulz waren zuletzt Ambitionen nachgesagt worden. Er verweist in seiner Mail auf ein vertrauliches Gespräch, in dem er Nahles dies bereits vor zwei Wochen mitgeteilt habe. An seiner Entscheidung habe sich auch nach dem Europawahl-Debakel nichts geändert. Die Haltung des Parteivorstands, nun keine Personaldebatten zu führen, halte er für richtig.

Das Lager der Nahles-Kritiker dürfte nach Einschätzung mehrerer Abgeordneter nach dem Debakel vom Sonntag und Nahles' Umgang damit eher größer geworden sein. Am Montag nach der Wahl hatte sie zunächst schwer daran gearbeitet, Personaldebatten zu verhindern. Als dann aber Michael Groß, der Sprecher der SPD-Ruhrgebietsabgeordneten, in einem Brief an seine Landesgruppe verlangte, die Zukunft von Nahes zu klären, ging Nahles in die Offensive. Im ZDF-Interview sagte sie am Abend. "Dann schaffen wir Klarheit."

Unter mehreren Abgeordneten wachsen Zweifel, ob nach einer solchen Abstimmung wirklich Klarheit herrsche. Die Rückmeldungen von der Basis nach der Wahlniederlage seine teils verheerend. Mit Nahles an der Spitze könne die Partei nicht weitermachen.

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