Große Koalition:Das Ringen um die Ministerposten hat begonnen

Es gestaltet sich reichlich kompliziert, die sechs SPD-Minister fürs Regierungsteam auszuwählen - ganz egal, ob Sigmar Gabriel dabei ist oder nicht.

Von Stefan Braun

Nach dem Votum ist vor der Personalentscheidung. Das ist am Sonntag im Willy-Brandt-Haus schnell klar geworden. Kaum war das Ergebnis des Mitgliederentscheids bekannt, konzentrierte sich fast alles auf die Frage, mit welchem Team die SPD ins Kabinett einziehen wird. Und das nicht etwa, weil sich plötzlich alle trauten, über Jobs zu reden. Wichtiger ist die Frage: Kann man das kleine Glück der breiten Mehrheit durch eine gute Personalauswahl noch ein bisschen größer machen?

Wünschen tun sich das irgendwie alle. Trotzdem ist es nicht einfach umzusetzen. Drei Männer, drei Frauen, dazu Vertreter aus dem Westen und dem Osten, aus dem Norden und dem Süden. Proporz mögen viele langweilig finden - wichtig ist er trotzdem. Vielleicht ist er in der jetzigen Verunsicherung noch wichtiger als sonst schon.

Und so scheint bislang trotz vielerlei Spekulationen nur eines relativ sicher zu sein: dass Olaf Scholz als Bundesfinanzminister ins Kabinett einzieht. Und das, obwohl der Hamburger nach Verkündung des Ergebnisses den Charme eines verwelkten Dornenbusches ausstrahlte. Scholz freilich hat Glück: Der Posten ist zwar eminent wichtig, aber er ist nicht wirklich umkämpft. In der Vergangenheit haben ihn schon Frank-Walter Steinmeier und Sigmar Gabriel ausgeschlagen. Das sagt viel aus über die Attraktivität dieses Amtes.

Heiko Maas könnte Sigmar Gabriel im Auswärtigen Amt beerben

Womit man beim Noch-Außenminister Gabriel wäre. Er meldete sich am Sonntag mit glücklich-zufriedenen Tweets zu Wort. Seine Chancen sind trotzdem ziemlich bescheiden. Zu viele wollen sein Selbstbewusstsein, sein Ego und seine gefährliche Spontaneität nicht mehr ertragen. Sicher ist nichts, aber wahrscheinlicher ist, dass er nicht mehr mit dabei sein wird.

Als Nachfolger wird mittlerweile Heiko Maas gehandelt. Entsprechende Gerüchte gibt es seit Tagen, und fast allen liegt die Einschätzung zugrunde, dass für dieses Amt bei allem Elan für Neuerungen keine neuen oder fast-neuen Kandidaten infrage kommen. Zuvor war, angefeuert durch eine Karnevalsspielerei von ihr selbst, auch der Name Katarina Barley gefallen. Doch die noch vergleichsweise kurze Zeit der Rheinland-Pfälzerin im Familienministerium spricht eher gegen als für einen solch spektakulären Aufstieg.

Wahrscheinlicher ist, dass Barley in diesem Szenario Heiko Maas nachfolgen und neue Justizministerin werden könnte. Die 49-Jährige ist promovierte Juristin und hat als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Bundesverfassungsgericht und im Justizministerium in Mainz gearbeitet. Fachliche Expertise hat sie hier ohne Zweifel.

Das Arbeitsministerium ist für die SPD besonders wichtig

Sind diese drei Kandidaten mithin ziemlich wahrscheinlich, so könnte der Rest noch sehr spannend werden. Denn als Nächstes kommt die Frage, wer Nachfolgerin von Andrea Nahles im Arbeits- und Sozialministerium werden könnte. Für die SPD ist das Ministerium besonders wichtig. Es verwaltet den größten Einzelhaushalt und gilt als das Haus, in dem sich die Partei auf besondere Weise der Antworten auf die neuen sozialen Fragen annehmen könnte. Dazu zählen das Stadt-Land-Gefälle und mehr noch die Folgen der Digitalisierung für die Arbeitswelt in Deutschland.

Derzeit werden für das Arbeitsministerium vor allem zwei Namen genannt. Da ist Hubertus Heil, Ex-Generalsekretär, Arbeitsmarktexperte und Niedersachse; und da ist Franziska Giffey. Die 39-Jährige ist Bezirksbürgermeisterin in Neukölln und Nachfolgerin des als unkonventionell berühmt gewordenen Heinz Buschkowsky. Heil wäre Experte, Giffey wäre eine große neue Nummer. Unerschrocken, selbstbewusst, außerdem stammt sie aus dem Osten. Auch das könnte für sie sprechen.

Giffey wird bislang auch als Familienministerin gehandelt, hat auf dem Posten aber eine bemerkenswerte Konkurrentin. Und die heißt Christina Kampmann. Sie ist 37 Jahre alt und kommt aus dem wichtigsten Landesverband, dem von Nordrhein-Westfalen. Dort war sie von 2015 bis 2017 Familienministerin - was eine gute Voraussetzung für einen Aufstieg sein dürfte.

Und so bleibt ein letztes, aber nicht unwichtiges Ministerium übrig: das für Umwelt. Sollte Kampmann Familienministerin werden, könnte für die bisherige Umweltministerin Barbara Hendricks ein Verbleib schwer werden. Auch sie kommt aus Nordrhein-Westfalen. Und so könnte am Ende die Stunde von Matthias Miersch schlagen. Er ist Bundestagsabgeordneter, Umweltexperte, zählt zu den Linken und kommt aus Niedersachsen. So viel Proporz - das könnte passen. Könnte. Entschieden ist nichts.

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