SPD:Gabriel macht Mut zum Führen

SPD: „Unser Programm gilt“, sagt SPD-Chef Martin Schulz, „jede unserer Forderungen ist berechtigt.“

„Unser Programm gilt“, sagt SPD-Chef Martin Schulz, „jede unserer Forderungen ist berechtigt.“

(Foto: Tobias Schwarz/AFP)

Der geschäftsführende Außenminister fordert die SPD auf, Verantwortung zu übernehmen und weder vor der Union, noch vor der großen Koalition oder Neuwahlen Angst zu haben.

Von Christoph Hickmann, Berlin

Der geschäftsführende Außenminister und ehemalige SPD-Chef Sigmar Gabriel hat seiner Partei vor den anstehenden Gesprächen über eine Regierungsbildung Mut zugesprochen. Das Wichtigste sei, keine Angst zu haben, sagte Gabriel am Montagabend laut Teilnehmern in der Sitzung der SPD-Bundestagsfraktion. Die Leute merkten, "dass wir Angst aus jeder Rippe schwitzen", so wurde Gabriel von Teilnehmern zitiert. Er zitierte außerdem den früheren Parteichef Franz Müntefering, der gesagt habe, Politik sei Führen und Sammeln. Selbstironisch merkte er an, er selbst habe während seiner Zeit vielleicht etwas zu viel geführt und zu wenig gesammelt. Derzeit aber habe er den Eindruck, es werde etwas zu viel gesammelt und zu wenig geführt, sagte Gabriel sinngemäß laut Teilnehmern. Die Leute müssten aber verstehen, was die SPD wolle.

Die SPD-Spitze war Ende vergangener Woche von ihrem strikten Nein zu einer großen Koalition abgerückt und will sich Gesprächen mit der Union nicht mehr verweigern. Allerdings betonen die Genossen, dass es sich um einen offenen Prozess handele und auch andere Möglichkeiten der Zusammenarbeit ausgelotet werden sollten - wobei eine Minderheitsregierung, die von SPD-Seite immer wieder ins Spiel gebracht wird, als wenig realistisch gilt.

Gabriel forderte die Abgeordneten in der Fraktionssitzung auf, weder vor der Union, noch vor der großen Koalition oder Neuwahlen Angst zu haben. Die Lage sei offen. Daher solle die SPD den eigenen Argumenten trauen und nun nicht "über jedes Stöckchen" springen, das man ihr hinhalte. Je mehr sie schweige, desto unsicherer werde die andere Seite. Einleitend hatte Gabriel sinngemäß gesagt, ihm selbst werde ja immer unterstellt, dass er nur Minister bleiben wolle und deshalb Schwarz-Rot befürworte. Mit seinem Verzicht auf den SPD-Vorsitz habe er aber gezeigt, dass er nicht an Ämtern klebe. Gabriel hatte die SPD Ende 2013 als Parteichef gegen große Widerstände in die große Koalition geführt.

Vor der Fraktionssitzung hatte Gabriels Nachfolger, SPD-Chef Martin Schulz, in einer Pressekonferenz am Nachmittag davor gewarnt, Gespräche über eine Zusammenarbeit mit übermäßigen Forderungen zu belasten. Falls die Gespräche "so intensiv mit Forderungen und Ultimaten" begleitet würden wie die geplatzten Sondierungen für ein Jamaika-Bündnis, "dann wird das, was vor uns liegt, sicher schwierig", sagte Schulz nach den Sitzungen der SPD-Spitzengremien am Montag. Dies ließ sich vor dem Gipfeltreffen mit der Union bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier als Warnung sowohl an die eigenen Leute als auch an die Union verstehen. Am Wochenende hatten sich maßgebliche SPD-Politiker ebenso wie Vertreter der Union mit Forderungen für eine mögliche Zusammenarbeit zu Wort gemeldet.

Das weitere Vorgehen beschrieb Schulz so: Nach dem Gespräch mit der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer bei Präsident Steinmeier am Donnerstag werde sich das SPD-Präsidium am Freitag treffen, um über die Ergebnisse dieses Gesprächs zu beraten. Er gehe davon aus, dass es danach ein weiteres Gespräch mit der Unionsspitze geben werde, ohne den Präsidenten - schließlich seien Merkel und Seehofer "nette Menschen, im Umgang", so Schulz.

Allerdings war zum Zeitpunkt seines Auftritts zumindest öffentlich noch nicht bekannt, dass ein Vorgang in Brüssel das Verhältnis zwischen Union und SPD mitten in der Phase der Annäherung belasten könnte: Wie am Montagnachmittag bekannt wurde, wirft die geschäftsführende Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) dem CSU-geführten Landwirtschaftsministerium vor, für die Verlängerung der Zulassung des umstrittenen Unkraut-Vernichters Glyphosat gestimmt zu haben - obwohl sie Minister Christian Schmidt (CSU) gesagt habe, dass sie nicht einverstanden sei.

"So wird Vertrauen zerstört und nicht gebildet", sagte die stellvertretende SPD-Fraktionschefin Ute Vogt.

Unabhängig davon sagte Schulz, der SPD-Parteitag in der kommenden Woche solle einen Beschluss fassen, der es der Parteispitze möglich mache, "die gesamte Bandbreite der möglichen Optionen auch zu diskutieren". Über das Ergebnis des Prozesses sollten am Ende die Mitglieder entscheiden. Sollte die SPD also eine Koalition mit der Union bilden, würde wie 2013 die Partei über den Koalitionsvertrag abstimmen.

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