SPD: Kritik aus den eigenen Reihen:"Ernste Identitätskrise"

"Die SPD kommt kaum vor und wird nicht gefragt": Konservative SPD-Mitglieder kritisieren den Kurs ihrer Partei. Generalsekretärin Andrea Nahles ist verärgert.

Susanne Höll

In der SPD wird der Unmut über die mit mäßigen Umfragezahlen verbundene derzeit schwierige Lage der Partei öffentlich laut. Der Vorsitzende des konservativen Seeheimer Kreises der SPD, der niedersächsische Bundestagsabgeordnete Garrelt Duin, stellte seiner Partei in einem Positionspapier ein schlechtes Zeugnis aus.

Die Sozialdemokraten befänden sich in einer "ernsten Identitätskrise" und hätten derzeit keinen Grund zur Zufriedenheit, schrieb er. "CDU und Grüne bestimmen die politischen Diskussionen, die SPD kommt kaum vor und wird nicht gefragt", heißt es in einem Papier, das mit Billigung anderer Mitglieder des Seeheimer Kreises zustande kam und mit dem Duin erklärtermaßen eine Diskussion in der Partei und der Fraktion anstoßen will. Er kritisierte auch, der SPD fehle der Mut zu klaren Entscheidungen, sie spiele auf Zeit und feile an Formelkompromissen. Die SPD sage "mal Hü und mal Hott" und sei "unkenntlich geworden". Duin verlangte klare SPD-Positionen in der Sozial- und Bildungspolitik und monierte kaum verhohlen den im Sommer beschlossenen Kurswechsel der SPD bei der Rente mit 67.

In der Spitze der Partei und der Bundestagsfraktion sorgte Duin mit dem Vorstoß für Verärgerung. Generalsekretärin Andreas Nahles kritisierte in scharfen Worten die Form der Kritik. "Garrelt Duin ist Mitglied im SPD-Parteivorstand und hätte dort jederzeit seine Meinung sagen können. Ich fordere ihn auf, das Thema dort anzusprechen, wo es hingehört - in die Gremien und nicht in die Zeitungen. Soviel Mumm erwarte ich von ihm", sagte Nahles der Süddeutschen Zeitung. Zugleich machte aber auch Nahles klar, dass die SPD noch Arbeit vor sich habe. "Wir haben viel erreicht, aber wir sind noch nicht am Ziel." Der Gesundheitsexperte Karl Lauterbach warf seinem Fraktionskollegen Duin vor, der SPD zu schaden. "Wir brauchen keine Aufmerksamkeit durch Nestbeschmutzung", sagte Lauterbach. Er widersprach nicht der Schlussfolgerung, dass die SPD derzeit in der öffentlichen Diskussion kaum vorkomme, mahnte aber zu Besonnenheit. "Wir müssen die Nerven behalten. Unsere Themen kommen. Und bis dahin muss man den Grünen auch etwas gönnen können", sagte Lauterbach mit Blick auf den Höhenflug der Grünen, die in Umfragen etwa in Baden-Württemberg vor den Sozialdemokraten liegen und sich im Bund der SPD nähern.

Die Kritik Duins und die eigene Lage könnte auch Thema bei einem Treffen der engeren Führung der Sozialdemokraten unter Vorsitz des Parteichefs Sigmar Gabriel am Sonntag sein. Gabriel, seine Stellvertreter, Nahles und der Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier wollen über die Planung für das kommende, von sechs Landtagswahlen geprägte Jahr beraten und über politische Parolen für diese Zeit nachdenken. In der Spitze gibt es Überlegungen, die Arbeit für 2011 mit den Begriffen "Fortschritt" und "Fairness" zu überschreiben. Im Gespräch ist etwa der Slogan "Neuer Fortschritt für eine faire Gesellschaft". Zentrale inhaltliche Themen für 2011 sollen Gesundheit und Pflege, Bildung und Arbeit sein.

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