SPD-Klausur mit Kanzler:Neue Wege und alte Probleme

SPD-Klausur mit Kanzler: Die Klausur der SPD-Spitze zum Jahresauftakt im Willy-Brandt-Haus.

Die Klausur der SPD-Spitze zum Jahresauftakt im Willy-Brandt-Haus.

(Foto: Friedrich Bungert)

Die SPD will, dass ihre Erfolge stärker gesehen werden. Bei ihrer Jahresauftaktklausur werden aber auch die Misserfolge zum Thema. Und dann sind da ja noch die Verteidigungsministerin und ihr Silvestervideo.

Von Georg Ismar

Wie ein Mobile hängen die Botschaften in großen Lettern von der Decke, über einer Treppe, die Olaf Scholz, Saskia Esken, Lars Klingbeil und die anderen führenden Sozialdemokraten gleich herunterschreiten sollen. Man will mehr Kommunikation wagen, um das Regierungshandeln besser zu verkaufen. "Bundeswehr gestärkt", "Bürgergeld eingeführt", "Mindestlohn auf 12 Euro erhöht", "Energiepreise gebremst", "Energieversorgung gesichert", "Deutschlandticket eingeführt", "§219a gestrichen". Gut, einige Dinge sind noch nicht ganz erreicht, etwa die "Klimagerechtigkeit".

Und so steht nun der Bundeskanzler, gekommen im schwarzen Pullover mit Reißverschluss, unter den aufgehängten Botschaften mit Errungenschaften der SPD. Schatzmeister Dietmar Nietan muss das erst mal mit dem Handy fotografieren. Die SPD-Spitze hat sich früh zur Jahresauftaktklausur versammelt, wissend, dass das neue Jahr auch nicht leichter werden wird. Auf knappe zwei Stunden ist als erster Tagesordnungspunkt eine Debatte mit dem PR-Berater und Wahlkampfstrategen Frank Stauss über die Kommunikation der SPD angesetzt worden.

Alle Vorstandsmitglieder haben per Mail ein Dokument mit den zentralen Botschaften übermittelt bekommen, die sie aus der Klausur in die Öffentlichkeit und die Wahlkreise tragen sollen, zum Beispiel diese: "Deutschland ist ein starkes Land. Mit den richtigen Entscheidungen heute sorgt die SPD dafür, dass das auch so bleibt. Alles spricht dafür, dass wir gut durch diesen Winter kommen. Die Menschen können sich auf die SPD verlassen. Deutschland packt das, weil wir ein starkes Land sind."

Bisher jedoch hinkt die Ampel den eigenen Ansprüchen oft hinterher

Inhaltlich soll vor allem bei der Modernisierung ein Turbo gezündet werden, die SPD will ein Comeback als Infrastrukturpartei, Scholz hat die sehr kurze Planungs- und Bauzeit beim ersten Flüssiggas-Terminal in Wilhelmshaven als neues "Deutschlandtempo" ausgegeben. Durch weniger Bürokratie und Klagen plus einfachere Verfahren soll es auch beim Bau von Bahnstrecken, Bahnhöfen, Straßen, Glasfasernetzen, der Digitalisierung und erneuerbaren Energien schneller als bisher gehen. Bisher jedoch hinkt die Ampel den eigenen Ansprüchen oft hinterher. So kommt es etwa seit mehr als einem Jahr auf der für den Gütertransport wichtigen Sauerlandlinie, der A45, zu enormen Verzögerungen, weil eine 450 Meter lange Talbrücke bei Lüdenscheid einsturzgefährdet ist. Aber bis heute ist sie nicht einmal abgerissen worden, um den Neubau zu beginnen.

Die Parteispitze ist sichtlich bemüht, Antworten auf das Phänomen zu finden, dass in einer durch den russischen Krieg in der Ukraine hervorgerufenen, historischen Krisensituation vieles angepackt und abgewendet wurde, aber dennoch die Koalition selten aus der Defensive herausfindet - und die Union wieder weit vor der SPD in Umfragen liegt. Laut einer Forsa-Umfrage gibt es einen eklatanten Vertrauensverlust in staatliche Institutionen. Das Vertrauen zur Bundesregierung sank demnach auf 34 Prozent, das zur Institution Bundeskanzler in einem Jahr um 24 Punkte auf 33 Prozent.

Scholz ist beim Auftritt der Parteispitze zum Auftakt der zweitägigen Klausur im Willy-Brandt-Haus nur stiller Zuhörer, scherzt immer wieder mit Klingbeil. Sehr ernst schaut er aber in Richtung von SPD-Co-Chefin Esken, als sie gefragt wird, wie es denn nach dem grünen Licht für Marder-Schützenpanzer an die Ukraine mit der Lieferung von Leopard-Kampfpanzern aussähe. Scholz hört genau zu, Esken hält sich an die interne Sprachregelung, sagt, die Nato dürfe nicht Kriegspartei werden, und Deutschland stimme alle Schritte eng mit seinen Partnern ab. Scholz ist zufrieden, nickt kurz, Klippe umschifft.

Umstritten bleibt Christine Lambrecht

Das Thema bleibt strittig, und auch ein anderes wird Partei und Kanzler so schnell nicht los. In Sachen Kommunikation hat zuletzt die Verteidigungsministerin eigene Maßstäbe gesetzt. Mit einiger Mühe - und breitem Schweigen - hat die Partei es geschafft, die Turbulenzen um das missglückte, als Privatsache eingestufte Silvestervideo von Christine Lambrecht zu befrieden. Aber intern schüttelt eine wachsende Zahl an Sozialdemokraten den Kopf, sie können sich nicht vorstellen, dass das noch lange gutgehen kann. Das zeigen Gespräche, aus denen aber bitte nicht zitiert werden darf.

Scholz hält zu ihr - und dementsprechend auch die Parteispitze. Es gilt zudem in der SPD als sehr wahrscheinlich, dass Innenministerin Nancy Faeser Spitzenkandidatin für die Landtagswahl im Herbst in Hessen wird. Ein Modell wäre, dass sie bis dahin Ministerin bleibt, aber zusichert, dass sie in jedem Fall nach der Wahl, auch als Oppositionsführerin, nach Hessen wechseln würde. Allen ist die "Röttgen-Falle" bekannt. Der damalige Bundesumweltminister ließ diese Frage als CDU-Spitzenkandidat in Nordrhein-Westfalen immer offen, wurde ständig im Wahlkampf danach gefragt. Er wollte nach der Wahlpleite dann das Rückfahrticket nach Berlin lösen - und wurde schließlich von Angela Merkel entlassen. Eine andere Option wäre für Scholz, schon Ende Januar, Anfang Februar eine Kabinettsumbildung zu machen. Da würde sich jedoch auch zwangsläufig die Zukunftsfrage bei Lambrecht neu stellen.

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