SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück und die Frauen:Sie mögen ihn, sie mögen ihn nicht

Roter Frauensalon der SPD

Sollte der SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück vielleicht öfter mit Tochter Anne beim Roten Frauensalon in Berlin auftreten?

(Foto: dpa)

Vom designierten SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück heißt es: Frauen mögen ihn einfach weniger. Doch so einfach ist es nicht. Denn die Sache hat stark mit der Beliebtheit der Kanzlerin zu tun.

Von Evelyn Roll, Berlin

Es wird ja schon seit einiger Zeit wie eine feststehende Tatsache verkauft und beredet: Peer Steinbrück hat ein Frauenproblem. Frauen, vor allem junge Frauen, heißt es, mögen Peer Steinbrück einfach nicht. Das sagen die Umfragen, heißt es. Und interpretiert wird das so: Steinbrück spreche einfach viel zu wenig über die frauenpolitischen Themen der SPD und sei überhaupt einfach zu machohaft, zu hochmütig und zu besserwisserisch, um weiblichen Wählern zu gefallen; zu männlich, zu alt, zu sehr von früher.

So war es jedenfalls jetzt überall zu lesen. Ist ja seit der Wahlniederlage des republikanischen US-Kandidaten Mitt Romney sowieso gerade sehr modern, die These vom "Ende des weißen Mannes".

Es stimmt nur möglicherweise alles gar nicht. Vielleicht hat Peer Steinbrück gar kein Problem mit Frauen und auch die Frauen haben keines mit ihm, sondern nur die SPD-Frauen haben ein Problem mit Peer Steinbrück, oder sie inszenieren eines aus der Tatsache, dass Angela Merkel bei allen Umfragen in allen Wählerschichten zur Zeit sehr viel bessere Zustimmungswerte hat als Steinbrück, auch und besonders bei den Frauen.

Man soll die Zahlen und Daten aus Meinungsumfragen ja ohnehin immer nur mit Vorbehalt konsumieren und präsentieren. Ganz offensichtlich sind diese Daten und Zahlen außerdem aber auch noch sehr unterschiedlich interpretierbar. "Es ist gar nichts dran an dem großen Frauen-mögen-Steinbrück-nicht-Bohei", sagt zum Beispiel Matthias Jung, der Chef der Forschungsgruppe Wahlen, die seit 1977 für das ZDF das Politbarometer macht: "Diese Steinbrück-Phobie bei Frauen, über die jetzt alle reden und schreiben, die gibt es nicht. Es ist ein Gerücht. Die Daten geben das nicht her."

Jeder fünfte SPD-Wähler will Merkel im Kanzleramt

In den repräsentativen Umfragen der Forschungsgruppe Wahlen habe Peer Steinbrück seit Wochen ja nicht nur bei den Frauen ein Defizit an Zustimmung gegenüber Angela Merkel, sondern bei jeder beliebigen Wählergruppe. Diese Defizite in der Zustimmung von Steinbrück zu Merkel seien "primär nicht frauenspezifisch, sondern allgemeiner Natur" und "basieren auch und wesentlich auf einem eingeschränkten Rückhalt für Steinbrück bei den SPD-Anhängern", sagt Jung.

Merkel habe bei der eigenen Anhängerschaft so außergewöhnlich hohe Zustimmungswerte wie Helmut Kohl sie oft hatte. Der polarisierende Kohl bezahlte diese Zustimmung bei den eigenen Leuten aber immer mit extrem niedriger Zustimmung bei den Anhängern des politischen Gegners. Das ist bei Angela Merkel ganz anders. Sie hat, wenn man den Umfragen glauben möchte, beides: Hohe Zustimmung bei den Unions-Wählern plus erstaunlich hohe Zustimmungswerte bei den Anhängern der politischen Gegner.

In den jüngsten repräsentativen Meinungsumfragen der Forschungsgruppe Wahlen sagte jeder fünfte SPD-Wähler, er würde am liebsten Angela Merkel im Kanzleramt halten. Bei den Anhängern der Grünen sagen das sogar 39 Prozent. Das ist das Problem von Peer Steinbrück. Nicht die Frauen, sagt Matthias Jung.

Aus den Zahlen seiner Umfragen der vergangenen Wochen kann Jung gar kein Defizit von Steinbrück bei den jungen Frauen ableiten, sondern nur einen Bonus von Merkel überall, vor allem bei den älteren Frauen. Dieser Bonus komme auch daher, dass die Quote der Unentschlossenen bei Frauen über sechzig deutlich niedriger ist als in allen anderen Bevölkerungsgruppen.

Merkels verblüffender Vorsprung

Außerdem erinnert Jung daran, dass CDU und CSU bei Bundestagswahlen immer schon einen Frauen-Bonus hatten, mit zwei Ausnahmen. Das waren die Wahlen, bei denen Franz Josef Strauß und Edmund Stoiber die Kanzlerkandidaten der Union waren. Weil außerdem die alten Menschen immer mehr werden, weil Frauen die höhere Lebenserwartung haben und deswegen unter den Alten immer mehr Frauen sind, und weil die Wahlteilnehmerquote von älteren Menschen sehr viel höher ist, als die von jungen Menschen, hat Merkel viel mehr Zustimmung von Frauen. Das hat mit Peer Steinbrück gar nichts zu tun. So betrachtet, bleibt von der Frauen-mögen-Steinbrück-nicht-These tatsächlich wenig übrig.

Was Matthias Jung ohnehin viel interessanter findet, ist der verblüffende Vorsprung, den Angela Merkel zur Zeit bei allen jungen Leuten hat, bei jungen Männern und jungen Frauen: "Aber das ist eine ganz andere Story, als die, die hier seit einiger Zeit vertickt wird."

Jung glaubt, dass die ASF, die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen, den demoskopischen Einzelaspekt - auch und besonders bei Frauen hat Merkel einen Bonus im Vergleich zu Steinbrück, - herausgegriffen und kommuniziert habe, um damit Peer Steinbrück ein bisschen unter Druck zu setzen und die in der SPD eigentlich schon vereinbarte Kabinetts-Frauenquote von 50 Prozent auch bei ihm sicher durchzusetzen. Man fragt sich bei den derzeitigen Umfragewerten nur: Für welches Kabinett eigentlich soll diese SPD-Frauenquote durchgesetzt werden?

Offenbar ist es jedenfalls eine reine Interpretationsfrage, ob man den Vorsprung, den Angela Merkel in den Umfragen auch bei Frauen hat, einen Merkel-Bonus nennt, wie Jung das tut, oder daraus einen Frauen-Problem für Steinbrück macht, wie zum Beispiel Manfred Güllner, der Chef des Forsa-Instituts das tut. Güllner interpretiert die repräsentativen Umfragen, die in seinem Haus für den Stern und für RTL gemacht worden sind, etwas anders, obwohl seine Zahlen gar nicht so ganz anders sind als die der Forschungsgruppe Wahlen.

Bei der Frage nach der Kanzlerpräferenz waren in der Forsa-Umfrage der letzten Novemberwoche 46 Prozent der Männer und 54 Prozent der Frauen für Merkel. 31 Prozent der Männer waren für Steinbrück, und nur 22 Prozent der Frauen. "Natürlich ist das ein Frauen-Bonus für Merkel", sagt Manfred Güllner, "aber eben auch ein Defizit bei den Frauen für Steinbrück".

Wenn man Manfred Güllner fragt, was Steinbrück seiner Meinung nach gegen dieses Defizit bei Frauen tun soll, ob er jetzt öfter mit seiner Tochter in den Roten Frauensalon, einem Diskussionskreis der SPD-Frauen in Berlin, gehen muss; ob Parteichef Sigmar Gabriel in noch ein paar Interviews erzählen muss, dass seine Frau Peer Steinbrück mag und findet, er sei der richtige Kanzlerkandidat, oder ob Peer Steinbrück im Wahlkampf ein bisschen mehr Frauenpolitik machen muss, sagt Güllner: "Mit Frauenpolitik hat das doch gar nichts zu tun. Wenn Steinbrück jetzt plötzlich erkennbar mehr Frauenpolitik macht oder einen Zielgruppenwahlkampf für Frauen, wäre das ganz fatal. Das würde ihm nur als Opportunismus ausgelegt. Er muss versuchen, mehr Vertrauen bei allen Bevölkerungsschichten zu erlangen."

Und dann spricht auch Manfred Güllner über die erstaunlich hohe Zustimmung, die Angela Merkel bei den Jungen hat. In der Gruppe der 18- bis 29-Jährigen waren in der Forsa-Umfrage der letzten Novemberwoche 59 Prozent für Merkel, bei Schülern und Studenten sogar 62 Prozent. Das ist die eigentlich Sensation, die in den Umfragen steckt. Sie fällt zwar nicht so ins Gewicht, weil die Jungen in diesem Land so wenig sind, und weil so viele von den wenigen Jungen nicht wählen gehen werden. Trotzdem ist das wirklich interessant, sagt auch Manfred Güllner: "Bei den Jungen hat Merkel Kultstatus."

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