SPD-Kanzlerkandidat:Steinbrück übt sich in Zurückhaltung

Peer Steinbrücks aufbrausendes Naturell hat dazu beigetragen, dass seine ersten Wochen als Kanzlerkandidat nicht ganz reibungslos verliefen. Trotzdem geht es für die SPD aufwärts - auch seine übliche Polterei unterlässt der neue Spitzenmann. Die Union reagiert: Sie verteilt Argumentationshilfen gegen den Kandidaten.

Susanne Höll, Berlin

Vor genau zwei Wochen sagte Peer Steinbrück, in einer Mischung aus Hoffnung, Zuversicht und etwas Trotz: "Wahlkampf kann auch Spaß machen." Die ersten 14 Tage im Kanzlerkandidaten-Dasein waren für Steinbrück allerdings alles andere als spaßig, und seiner Partei ging es ebenso.

Erst musste sich der 65-Jährige vorwerfen lassen, er habe gemeinsam mit Parteichef Sigmar Gabriel und dem Fraktionsvorsitzenden Frank-Walter Steinmeier die Öffentlichkeit und - wichtiger noch - die eigene Partei in der Herausforderer-Frage an der Nase herumgeführt. Es folgte eine laute, von Union und FDP angezettelte Debatte über die hoch dotierten Rednerauftritte des Ex-Finanzministers.

Diese Debatte wiederum ermöglichte aufschlussreiche Einblicke in die Persönlichkeitsstruktur des Kandidaten, der bei Fragen nach seinem Selbstverständnis als Volksvertreter zunächst mit empörter Polterei konterte, was natürlich weder der Sache selbst noch seinem Image nutzte.

Nach der Kür Steinbrücks steht die SPD komfortabel da

Start vermasselt? Nein, sagen zumindest die Demoskopen. Die SPD steht nach der Kür Steinbrücks vergleichsweise komfortabel da. In der sogenannten Sonntagsfrage legten die Sozialdemokraten nach einer Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen um zwei Punkte auf 31 Prozent zu, in der allgemeinen politischen Zustimmung holte sie kräftig auf und liegt mit 36 Prozent derzeit nur noch wenig hinter der Union mit 41 Prozent. Zwar wollen immer noch 49 Prozent der Bürger Angela Merkel als Kanzlerin. Aber Steinbrück rückte heran, auf immerhin 40 Prozent.

Die in den vergangenen Jahren bekanntlich leidgeprüften Sozialdemokraten sind angetan von solchen Umfragen, von freudigem Überschwang kann aber keine Rede sein. Umfragen, das ist eine alte Lehre, werden auch wieder schlechter. Eben deshalb hatte die einstige Troika ursprünglich einmal geplant, den Kandidaten zum Jahresende hin zu küren, hoffend, dass ein allfälliger bundesweiter Stimmungsschwung der Niedersachsen-SPD noch einmal Auftrieb für deren Landtagswahl Ende Januar 2013 geben würde.

Steinbrück wird im Moment nicht so oft an die Niedersachsen-Wahl denken. Er hat andere Sorgen. Der Kandidat muss sich ein Team zusammenstellen, die vergangenen Wochen bestritt er sozusagen als Solist. Das ist eine Rolle, die Steinbrück durchaus liegt. Doch er braucht eine Mannschaft, Berater, die ihm fachlichen, aber auch persönlichen Rat geben und den Wahlkampf vorbereiten, bei dem er eng mit der Parteizentrale im Willy-Brandt-Haus zusammenarbeiten muss.

Steinbrücks Umgang mit heiklen Themen ist verbesserungswürdig

Eine erste Personalentscheidung hat der Herausforderer nun getroffen. Aus Magdeburg kommt Heiko Geue nach Berlin zurück, der zwischen 2005 und 2009 Chef des Leitungsstabes in dem von Steinbrück geführten Bundesfinanzministerium war. 2011 wurde er Finanzstaatssekretär in der schwarz-roten Landesregierung von Sachsen-Anhalt.

Neben seinen fachlichen Qualitäten wird Geue allseits für sein ausgeglichenes Temperament geschätzt, eine Qualität, die Steinbrück zugutekommen dürfte. Denn sein öffentlicher Umgang mit heikleren Themen ist auch nach Meinung namhafter Sozialdemokraten durchaus verbesserungswürdig. Am Samstag bellte er über den Rundfunk, die Vorwürfe in Sachen Rede-Honorare seien "absurd" und "dämlich". Gut möglich, dass er damit allein die Kritiker aus Union und FDP meinte.

Die Union hofft auf das Ende des SPD-Friedens

Aber die Bürger möchten nun eben genauer wissen, was es mit diesem Mann auf sich hat, der das Land regieren will. Einer, der den Eindruck erweckt, er betrachte kritische Nachfragen zu seiner Person als eine Art Majestätsbeleidigung, dürfte jedenfalls schwere Zeiten im Wahlkampf haben. Beim TV-Auftritt bei Günther Jauch nahm sich Steinbrück deshalb sichtlich zusammen, war er bemüht, seinen inneren Vulkan im Zaum zu halten.

Künftig wird er auch einen eigenen Pressesprecher haben. Angefragt wurde Michael Donnermeyer, der ehemalige Sprecher von Bundes-SPD und Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit, der inzwischen in der Energiebranche arbeitet.

In der SPD hat die Nominierung Steinbrücks bislang keine der von manchen in der SPD befürchteten, von der politischen Konkurrenz dagegen ersehnten Verwerfungen ausgelöst. Skeptische Vertreter des linken Flügels forderten Steinbrück zwar öffentlich zu einem klaren sozialpolitischen Kurs auf und verlangten, die SPD müsse wieder zum "Anwalt des kleinen Mannes" werden. Doch diese sogenannte Berliner Erklärung war nach dem Urteil von Parteistrategen zahm und blieb bislang ohne Echo.

Die Union verteilt ein Papier mit Argumentationshilfen gegen Steinbrück

Die Union hofft ihrerseits, dass es bald ein Ende hat mit dem innerparteilichen SPD-Frieden. Sie stellt ihren Funktionären nun ein elfseitiges Papier zur Verfügung, mit Argumentationshilfen gegen den Herausforderer. "Im Verhältnis zur SPD setzt Peer Steinbrück auf Spalten statt Versöhnen", steht auf Seite acht. Es folgen despektierliche Zitate des Kandidaten über seine eigene Partei, darunter der über sozialdemokratische "Heulsusen". Auch findet sich der Hinweis, dass Steinbrück zwar bezahlte Vorträge gehalten habe, aber seit 2009 nur vier Mal im Plenum sprach.

Das könnte sich kommende Woche ändern. Gut möglich, dass Steinbrück am 18. Oktober auf die Regierungserklärung von Kanzlerin Angela Merkel antwortet. Fraktionschef Steinmeier hat es ihm angeboten, entschieden sei allerdings noch nichts. Wenn er verzichten sollte, ist ihm Spott gewiss. Union und FDP werden ihm dann vorhalten, er traue sich den Wettbewerb mit Merkel einfach nicht zu.

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