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SPD-Kanzlerkandidat:Steinbrück im Östrogen-Bad

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Mürrischer Macho statt friedfertiger Familienpolitiker: Peer Steinbrück fremdelt mit weiblichen Wählerschichten. Dass man ohne Frauen keine Wahl gewinnt, weiß auch die SPD - und hat Steinbrück deshalb ein Östrogen-Bad verordnet.

Robert Roßmann, Berlin

Peer Steinbrück ist kein Held der Frauen. Gerade einmal 23 Prozent der Wählerinnen finden ihn sympathischer als die Kanzlerin, für glaubwürdiger halten ihn sogar nur 19 Prozent. Kein Wunder: Der Sozialdemokrat ist bisher eher als mürrischer Macho, denn als friedfertiger Familienpolitiker aufgefallen. Ohne die Frauen gewinnt man aber keine Wahlen.

Die SPD hat ihrem Kanzlerkandidaten deshalb ein Östrogen-Bad verordnet: Erst musste er beim "Roten Frauensalon" über Gender-Fragen sprechen - für jemanden wie Steinbrück nicht gerade vergnügungssteuerpflichtig. Und dann sollte er in der Betreuungsgeld-Debatte in die Rolle des Familienpolitikers schlüpfen - vermutlich zum ersten Mal in seinem Leben. Um es kurz zu machen: Der Kandidat hat sich auf dem neuen Terrain ganz gut geschlagen. Das war aber auch nicht sonderlich schwer. Das Betreuungsgeld wird von den meisten Deutschen mit so viel Inbrunst abgelehnt, dass man als Gegner der neuen Familienleistung gar nichts falsch machen kann.

Einen schalen Nachgeschmack hinterließ jedoch Steinbrücks Attacke auf die FDP. Der Sozialdemokrat warf den Liberalen vor, nur aus Koalitionsräson ein "schwachsinniges" Gesetz mit zu beschließen, das Deutschland ungerechter mache und ein fataler Rückschritt für das Land sei. Das mag sogar stimmen. Trotzdem hätte es Steinbrück gut getan, wenigstens etwas Verständnis für die Nöte der FDP zu zeigen. Schließlich hat die SPD in der großen Koalition dem selben Betreuungsgeld ebenfalls zugestimmt - in einem Kuhhandel für den Kita-Ausbau.

Seit 2008 steht deshalb im Sozialgesetzbuch: "Ab 2013 soll für diejenigen Eltern, die ihre Kinder von ein bis drei Jahren nicht in Einrichtungen betreuen lassen wollen oder können, eine monatliche Zahlung (zum Beispiel Betreuungsgeld) eingeführt werden." Damals pries Steinbrück das noch als "vernünftigen Kompromiss" und stimmte im Kabinett dafür - übrigens genauso wie Sigmar Gabriel und Frank-Walter Steinmeier.

Eine Reportage über Peer Steinbrück lesen Sie in der Samstagsausgabe der Süddeutschen Zeitung (Seite 3).

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Quelle:
SZ vom 10.11.2012
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