SPD-Kanzlerkandidat:Die CDU ist in der Schulz-Starre

Bundeskanzlerin Angela Merkel

Das Land genoss die kühl-unaufgeregte Art von Angela Merkel. Nun erlebt das Land eine Wende.

(Foto: dpa)

Wie soll die traditionell eher untertemperierte CDU auf diese fast animalisch anmutende Schulz-SPD reagieren? Sie muss souverän zeigen, was sie noch auf dem Kasten hat.

Kommentar von Susanne Höll

Jeder halbwegs erwachsene Mensch weiß, in welche Seligkeit eine gelebte Leidenschaft tragen kann - im persönlichen Leben, aber auch in der geschäftlichen Welt. Dennoch kennt man auch die Bredouillen, in die man gerät, wenn die Gefühle das Tun bestimmen und die Emotionen den Verstand in die Frühstückspause schicken. In der Politik, der deutschen jedenfalls, schien die Zeit der leidenschaftlichen Politik, wie sie in der rot-grünen Ära von Gerhard Schröder zumindest noch inszeniert wurde, aus der Mode gekommen zu sein. Das Land genoss die kühl-unaufgeregte Art von Angela Merkel, die angenehm wenig Worte und Gewese um ihre Person und ihre Arbeit macht. Nun erlebt das Land die nächste Wende.

Der SPD-Vorsitzende und Kanzlerkandidat Martin Schulz platzt als Gefühlsbombe in das Geschäft. Und die CDU mit der Kanzlerin an der Spitze ist perplex. Wie, bitte schön, soll diese unter Merkel so geschäftsmäßige, traditionell ohnehin eher untertemperierte Partei auf diese fast animalisch anmutende Art des öffentlichen sozialdemokratischen Diskurses reagieren? Es wäre töricht, wenn sie beleidigt reagieren würde. Es hilft nicht, Schulz als waghalsigen Dampfplauderer oder als Populisten zu diffamieren. Das wirkt nur griesgrämig.

Griesgrämigkeit ist an sich eine Eigenschaft der SPD - historisch verständlich, aber bisweilen schwer erträglich. Die Partei hatte über weite Strecken ihrer Geschichte mit einer übermächtigen Rechten zu kämpfen, die der Linken den Weg in Staat und Gesellschaft zu versagen trachtete. Das hat sich längst geändert, keine Frage. Aber immer noch neigen SPD-Politiker dazu, Kritik an ihrer Person oder ihrer Partei als Zeichen der Geringschätzung zu werten. Schulz gehört nicht dazu, er sitzt nicht wie die von Kurt Tucholsky einst beschriebenen Tanten übel nehmend auf dem Sofa. Vielleicht ist er auch deshalb derzeit so interessant. Die Union sollte nun nicht die alten Fehler der SPD machen.

Einen Rednerwettstreit mit einem Schulz wird die Merkel-CDU im Wahljahr 2017 nicht gewinnen können - weder in der ersten Abstimmung am Sonntag im Saarland noch im Herbst im Bund. Die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer und Merkel sind Geschwister im Geiste und im Handeln. Beiden sind öffentliche Gefühlsbekundungen nahezu peinlich, mitreißende Rednerinnen sind sie von Natur aus auch nicht.

Stattdessen traktieren sie ihre Umwelt gern mit scheinbar öden Fakten und Zahlen, addieren sachkundigst auf, was noch gemacht werden muss im Land oder im Bund und geben politischen Fantasien sowie Träumen wenig Raum. Das mutet kleinkrämerisch an, das ist weder inspirierend noch unterhaltsam. Geriete Merkel wider jedwede Erwartungen in die Versuchung, Schulz im Revier der politischen Gefühle Paroli zu bieten, gäbe sie sich sofort der Lächerlichkeit preis. Alle Welt wüsste: Hier spricht eine Frau gegen die ihr eigene Natur. Imitation ist zudem keine Haltung, sondern ein Zeichen von Schwäche.

Für Dienste der Vergangenheit wird man nicht wiedergewählt

Was also können die Unionsparteien, besser gesagt, ihre Protagonisten, dieser sozialdemokratischen Gefühlsbegeisterung entgegensetzen? Merkels über Jahre im Kanzleramt gesammelten Erfahrungen und Leistungen sind ein Vorteil. Sie war auch und gerade in der Flüchtlingskrise und sonstigen europäischen Irrungen und Wirrungen eine für viele Menschen vernünftige Person. Für Dienste der Vergangenheit wird man nicht wiedergewählt, wohl wahr. Aber wer eine anständige Bilanz vorweisen kann, muss sich nicht fürchten, Deutschland neue Ziele zu setzen.

Als Merkel CDU-Vorsitzende wurde, damals, am Ende des 20. Jahrhunderts, trieb sie die Erkenntnis, dass jemand die CDU reif machen musste für die Wünsche, Sehnsüchte und Erfordernisse der kommenden Jahrzehnte. Das ist ihr, die Regierungsjahre zeigen es, gelungen. Doch zuerst musste sie die eigene Partei, von der CSU gar nicht zu reden, von dieser notwendigen Modernisierung insbesondere in der Gesellschafts- und Familienpolitik überzeugen.

Was die Christdemokraten in den kommenden zehn Jahren erreichen möchten, ist bislang rätselhaft. Nach langen Regierungsjahren neigen Parteien dazu, sich als Exekutoren, als Ausführende zu präsentieren, sie reden über ökonomische oder weltpolitische Zwänge in einer Sprache, die kaum einer versteht. Im aktuellen politischen Wettlauf mit der Schulz-SPD wünscht man sich von der CDU politische Fantasie. Diese Zukunftsvorstellungen müssen nicht inbrünstig vorgetragen werden, seriös aber schon. Auch das kann Leidenschaft wecken, erst in den eigenen Reihen und dann im Land.

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