SPD-Kanzlerkandidat beim Wohnzimmergespräch:Steinbrücks Eierlikördebakel

Ganz besonders bürgernah wollte sich SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück geben und kam zu seinem ersten Wohnzimmergespräch in Edesbüttel vorbei. Dumm nur, dass das Gespräch mit Bürgern auch eines unter Genossen war.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Peer Steinbrück will wissen, "wo den Menschen im Land der Schuh drückt". Darum gibt es ein neues Wahlkampfformat des SPD-Kanzlerkandidaten. Es heißt: Wohnzimmergespräche. Wer will kann auf www.peer-steinbrück.de Interesse anmelden. Und dann kommt er vielleicht vorbei, auf ein Gläschen "Eierlikör", wie er kundtat. Er erwartet "ungefilterte Diskussionen" mit den Menschen, die er besucht. Klingt einfach und irgendwie auch sympathisch. Das Konzept hat er sich von Barack Obama abgeguckt.

Aber Steinbrück hat im Moment keinen Lauf. Und so wird das erste Wohnzimmergespräch am Montagabend zum erneuten Kommunikationsdesaster.

Merkels und Steinbrücks Berater

Für sein Debüt verschlägt es Steinbrück nach Edesbüttel, ein 100-Seelen-Örtchen zwischen Calberlah und Allenbüttel im Landkreis Gifhorn, 20 Autominuten westlich von Wolfsburg. Familie Bebnowski hat offenbar extra Eierlikör gekauft, um Steinbrück zu empfangen, wie ein Lokalreporter herausfand.

Das Ehepaar Elisabeth Bebnowski und Thomas Mudra-Bebnowski haben gut 20 Verwandte, Bekannte und Arbeitskollegen eingeladen. Mit dabei auch Marike Bebnowski, die in dieser Geschichte noch eine besondere Rolle spielen wird. Steinbrück steuert Zucker- und Streuselkuchen bei. Nach eineinhalb Stunden verschwindet er wieder. Was genau besprochen wurde, das wissen nur die Beteiligten. Presse war nicht zugelassen.

Marike Bebnowski erklärt dem Lokalreporter später, Steinbrück sei "authentisch norddeutsch". Es sei "eine offene und konstruktive Diskussion" gewesen. Jeder sei zu Wort gekommen.

Ein voller Erfolg also für den Kanzlerkandidaten. Hat er doch offenbar 20 potentielle Wählerinnen und Wähler zufrieden zurückgelassen. Was in diesen Tagen schon eine kleine Sensation wäre.

Steinbrück ist unbeliebter als Westerwelle

Hätte eben jene Marike Bebnowski nicht für einen Mann gearbeitet, der im politischen Berlin kein ganz Unbekannter ist. Sie war studentische Wahlkreismitarbeiterin von Hubertus Heil, ehemaliger Generalsekretär der Bundes-SPD und heute stellvertretender Fraktionschef der Sozialdemokraten im Bundestag. Edesbüttel gehört zu Heils Wahlkreis.

Zu Gast bei Genossin Bebnowski

Mehr noch: Genosse Steinbrück war Gast bei Genossin Marike Bebnowski. Sie ist Mitglied im SPD-Ortsverein Braunschweig Nordstadt. Im Stadtbezirksrat 331, Nordstadt, war sie als Schriftführerin tätig. Ihre Familie hat im Sommer 2009 eine Gartenparty für Hubertus Heil geschmissen, wie auf stern.de nachzulesen ist.

Auf Twitter und Facebook ist das Wohnzimmer-Treffen mal wieder Anlass genug, kübelweise Hohn und Spott über Steinbrück auszuschütten. CDU-Mitglied @frederics lästert: "Die Sozialdemokraten machen jetzt also schon Wohnzimmer-Gespräche bei Parteimitgliedern. Herzlichen Glückwunsch!" Und @schreibspecht fragt: "Peer Steinbrück: Heute noch Kanzlerkandidat - im Januar 2014 schon im Dschungelcamp ;-)."

Steinbrück wird aber auch in Schutz genommen. "1 SPD-Mitglied lädt 19 Freunde (ohne Parteibuch) ein um mit Peer Steinbrück zu diskutieren. Wo ist das Problem?", twittert etwa @tob_ke.

Einer im Stab hat nicht aufgepasst

Alles ein merkwürdiger Zufall vielleicht. Aber mal wieder hat da offenbar einer im Stab von Steinbrück nicht aufgepasst. Das erste Wohnzimmergespräch, und im Wohnzimmer sitzen Sozialdemokraten, die danach den Kanzlerkandidaten über den Klee loben.

Steinbrücks größte Feinde scheinen inzwischen seine eigenen Leute zu sein. Der dilettantische Umgang mit den Rednerhonoraren. Ein Interview, in dem sie ihn ein höheres Gehalt für die Kanzlerin fordern lassen. Der freie Fall in den Umfragen, weil sie ihn über alles Mögliche reden lassen, nur nicht über Inhalte. Steinbrück ist inzwischen unbeliebter als Außenminister und Ex-FDP-Chef Guido Westerwelle. Und jetzt checken sie nicht ab, von wem er da in Hubertus Heils Wahlkreis empfangen wird.

Der Eierlikör in Edesbüttel soll angeblich ungeöffnet geblieben sein. Aber das macht nichts. Sicher scheint, dass Steinbrück nach diesem erneuten Reinfall den Kaffee wohl vorerst aufhat. Erkennbar angefasst schreibt er auf Twitter: "Das war gestern Abend ein spannendes Wohnzimmer-Gespräch mit 20 Personen. Parteibücher haben dabei keine Rolle gespielt!"

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