Süddeutsche Zeitung

SPD-Kandidat Steinbrück:"Transparenz gibt es nur in Diktaturen"

Peer Steinbrück geht in die Offensive: Er sei kein "Knecht des Kapitals" und habe seine Nebeneinkünfte "lupenrein" angegeben. Hinter den aktuellen Vorwürfen wittert der SPD-Kanzlerkandidat politische Motive.

In der Debatte über seine Nebeneinkünfte geht SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück voll in die Offensive. "Ich habe kein schlechtes Gewissen", sagte Steinbrück im Deutschlandfunk. Er könne nichts "Ehrenrühriges" daran finden, dass er von Unternehmen, Banken, Versicherungen und Anwaltskanzleien, die gewinnorientiert seien, für eine erbrachte Leistung ein Honorar genommen habe. Bei Schulen, Vereinen und ehrenamtlichen Institutionen habe er hingegen keine Bezahlungen für seine Redeauftritte verlangt.

Bereits am Freitag hatte Steinbrück überraschend angekündigt, alle Informationen zu seinen Honoraren so schnell und umfassend wie möglich offen zu legen. Kurz zuvor hatte er dies noch abgelehnt. Derzeit müssen Abgeordnete Nebeneinkünfte nicht genau preisgeben, sondern lediglich drei Stufen zuordnen - bis 3.500 Euro, bis 7.000 Euro und mehr als 7.000 Euro. Steinbrück hat in der laufenden Legislaturperiode mehr als 80 Vorträge gehalten, für die er Honorare der höchsten Stufe bekommen hat. Am Sonntag will sich der SPD-Kanzlerkandidat nochmals der Öffentlichkeit stellen: Für den Abend ist ein Auftritt in der ARD-Sendung "Günther Jauch" geplant.

Steinbrück betonte, er habe seine Nebeneinkünfte beim Bundestag stets "lupenrein" angezeigt. Er bekräftigte zwar seine Forderung nach einer weiteren Verschärfung der Transparenzrichtlinien für Parlamentarier, lehnte die Idee des "gläsernen Abgeordneten" aber ab. "Ich glaube, dass es Transparenz nur in Diktaturen gibt", sagte er am Samstag im Deutschlandfunk. "Ich glaube dass eine gewisse Privatheit gelten muss." Vorwürfe aus der CSU, er sei ein Liebling der Spekulanten, wies Steinbrück als "absurd" zurück. Einen Bericht des Magazins Focus dementierte der SPD-Politiker nicht, wonach unter den Honorarzahlern auch Finanzinstitute aus der Schweiz und Liechtenstein gewesen sein könnten.

Er habe jüngst bei einem Auftritt in der Nähe von Zürich vor rund 750 Gästen "sehr dezidiert zu Europa, der europäischen Integration, der Bankenregulierung und auch zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Steuerbetrug geredet", sagte Steinbrück. "Wo soll das Problem liegen?" Das Magazin berichtet zudem von einem Auftritt auf einem Kongress vergangenen November in Berlin, der von einem umstrittenen Lebensversicherungsunternehmen aus Liechtenstein mitinitiiert worden sein könnte.

Der Kandidat vermutet politische Motive hinter Kritik

Steinbrück sagte zu den Recherchen im Deutschlandfunk: "Ich bin eingeladen worden von einer Gruppe von Gastgebern, ich weiß im Einzelnen gar nicht, ob da ein Liechtensteiner Unternehmen dahinter gestanden hat, sondern ich bin eingeladen worden von seriösen Leuten." Zudem wehrte sich Steinbrück ganz grundsätzlich gegen Vorwürfe, er habe etwas verbergen wollen: "In vielen Fällen stellt sich hinterher etwas als ganz normal heraus, was vorher skandalisiert wird. Offenbar sind einige sehr nervös darüber geworden, dass ich Kanzlerkandidat der SPD bin."

Hinter der Kritik an seinen Nebeneinkünften sieht er politische Motive. Es gehe hier um den Versuch, ihm "etwas Ehrenrühriges" anzuhängen. Steinbrück wies den Verdacht zurück, dass er durch bezahlte Redeauftritte vor Finanzinstitutionen eine zu große Nähe zu diesem Sektor eingenommen habe. Dieser Verdacht sei "absurd, man kann auch sagen dämlich", sagte Steinbrück. Auch in seinen Vorträgen bei Firmen, Geldhäusern und Anwaltskanzleien habe er sich für Bankenregulierung und gegen Steuerhinterziehung eingesetzt, sagte Steinbrück im Deutschlandfunk.

"Ich rede in diesen Sälen nicht anders als ich öffentlich rede." Seine Zuhörer könnten bestätigen, dass er "alles andere als ein Knecht des Kapitals" gewesen sei. "Wenn ich bei der Deutschen Bank rede und dem Publikum und auch der Deutschen Bank - gelinde gesagt - auch einen einschenke über all das, was verkehrt gelaufen ist, dann wird man mir eine solche Nähe und eine solche Abhängigkeit nicht unterstellen können mit Blick auf das, was ich dort gesagt habe", führte der frühere Finanzminister aus.

Steinbrück äußerte sich jedoch skeptisch zur aktuellen Debatte über die Zusatzeinkünfte von Parlamentariern. Dadurch könnten bei den Wählern Ressentiments bestätigt werden, dass Politiker sich in einem System der Vorteilsnahme und Selbstbereicherung bewegten. Man müsse aufpassen, dass man nicht einen Prozess in Gang setzt, der die Politik insgesamt beschädigt, mahnte Steinbrück.

Aigner sieht wenig Rückhalt für Steinbrück

Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) gab sich derweil davon überzeugt, dass die Entscheidung der SPD, Steinbrück als Kanzlerkandidat aufzustellen, die Erfolgsaussichten der Union bei der Bundestagswahl erhöht. "Steinbrück ist ein kluger Technokrat, aber ihm fehlt der Rückhalt der eigenen Partei, und er wirkt auf Menschen sehr unnahbar", sagte Aigner der Zeitung Welt am Sonntag laut einem Vorabbericht. "Das wird uns helfen."

In der Debatte um Steinbrücks Nebeneinkünfte werde es keinen Schlussstrich geben, "solange er nicht volle Transparenz hergestellt und alles auf den Tisch gelegt hat", kündigte Aigner an. Linkspartei-Chefin Katja Kipping bezeichnete unterdessen Steinbrück als "Kandidat ohne Zukunft". Er stehe Merkel näher als der SPD-Basis, sagte sie der Welt. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt sagte, es könne der Eindruck entstehen, der SPD-Kanzlerkandidat sei der "Liebling der Spekulanten".

Nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins Spiegel soll Steinbrück bei einigen Firmen Vorträge gehalten haben, die zuvor in seiner Zeit als Bundesfinanzminister die Gründung einer Beratungsfirma vorbereitet haben. Demnach hat die Lobbyorganisation Initiative Finanzstandort Deutschland 2007 das Konzept für die Beratungsfirma ÖPP Deutschland AG erarbeitet, das Rechtsgutachten habe die Wirtschaftskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer geliefert. Steinbrück habe dem Konzept zugestimmt, das Finanzministerium beteiligte sich später mit etwa 50 Prozent an der Firma, hieß es weiter.

Nach seinem Ausscheiden aus dem Ministerium hielt Steinbrück laut Spiegel sowohl bei der Wirtschaftskanzlei als auch bei mehreren beteiligten Finanzinstituten wie der Deutschen Bank und der Landesbank Hessen-Thüringen bezahlte Vorträge.

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