Bundeskongress der SPD-Jugend:Kühnert galoppiert durch die Probleme

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Kevin Kühnert beim Juso-Bundeskongress in Düsseldorf. (Foto: dpa)
  • Beim Juso-Bundeskongress in Düsseldorf erntet der Vorsitzende Kevin Kühnert große Begeisterung.
  • In seiner Rede deckt er viele Themen ab: Von Hartz IV über die Digitalisierung bis zur Infrastruktur.
  • Die Rolle der Jusos habe sich verändert. Der Widerstand gegen die Groko habe vielen Menschen Hoffnung gegeben.

Von Max Ferstl, Düsseldorf

Am Ende springen alle auf. Sie sind jung, sie klatschen und johlen. Der Mann, dem sie huldigen, verschwindet hinter vielen Rücken. Nur sein Kopf ist oben auf der Bühne noch zu sehen. Er guckt verkniffen, als wäre ihm das alles ein wenig unangenehm. Dann geht Kevin Kühnert, 29, zurück an seinen Platz, beide Hände in den hinteren Hosentaschen vergraben.

Der Eindruck täuscht. Eine dreiviertel Stunde lang hat sich Kühnert als Kämpfer präsentiert. "Das zurückliegende Jahr kann uns nicht glücklich machen", ruft der Juso-Chef den Delegierten auf dem Bundeskongress zu, der am Freitag in Düsseldorf begonnen hat. Was ihn nicht glücklich macht: der Aufstieg der rechtsradikalen Kräfte, der zunehmende, auf Europa lastende Druck. Und, klar: die Fortsetzung der großen Koalition, zu der sich die SPD zu Jahresbeginn durchgerungen hat - gegen Kühnerts Willen. "Das hat unserer Partei zugesetzt."

Er spricht über die schlechten Wahlergebnisse und die noch mieseren Umfragewerte: "Die Stimmung ist schlecht. Und brauchbare Antworten sind rar." Doch er versucht, welche zu geben. Er redet schnell, fast gehetzt. Kühnert galoppiert durch die Themen, hat zu allem etwas zu sagen. Zum Beispiel zu Hartz IV, über das die Partei seit 15 Jahren - und in diesen Tagen besonders - erbitterte Debatten führt. "Wie umgehen mit dem politischen Erbe?", fragt Kühnert: Stolz sein? Oder es ablehnen? Entscheidender sei doch, wie der Sozialstaat mit seinen Menschen umgehe.

Das tut er aus Kühnerts Sicht aktuell nicht besonders gut. Er erinnert an die Bedarfsgemeinschaften, in die Kinder hineingeboren würden und aus denen sie nie wieder herauskämen. Und an die 27 Euro, die ein Bedürftiger mancherorts im Monat für seine Mobilität erhalte, es aber "keinen verdammten Landkreis" gebe, "in dem man ein Sozialticket für 27 Euro bekommt". Kühnert klingt empört, ja wütend. Wenn das die Ausgangslage sei, ruft er, stelle sich nicht die Frage, "ob wir uns das finanziell leisten können, sondern ob wir uns das menschlich leisten können". An der Stelle wird der Beifall sehr laut.

Aber Kühnert ist schon weiter. Digitalisierung? 5G brauche es an "jeder Milchkanne". Die Infrastruktur? Erfordere deutlich mehr Investitionen, die schwarze Null sei "ein Bremsklotz". Armut? Im reichen Deutschland, sagt Kühnert, stünden 1,5 Millionen Menschen bei Tafeln an. "Wofür wollen wir eigentlich unseren Sozialstaat?" Immer wieder wird er von Applaus unterbrochen, mal von spontan aufbrandendem, mal von rhythmischem.

"Es gibt keine wirklich fortschrittliche Politik ohne die SPD"

Vor ziemlich genau einem Jahr hat der Bundeskongress Kühnert mit 75 Prozent der Stimmen zum Vorsitzenden gewählt. Für die breite Öffentlichkeit war er damals ein Unbekannter, aber das blieb nicht lange so. Während die SPD mit sich rang, ob sie erneut in die große Koalition mit der Union eintreten sollte, profilierte sich Kühnert als Wortführer der Anti-Groko-Fraktion. Und er machte seine Sache gut. Kühnert fand klare Worte, blieb konsequent bei seiner Meinung und dabei stets freundlich. Seitdem kennt man ihn. Wenn man die Begeisterung auf dem Kongress als Maßstab nimmt, dürften seine Umfragewerte unter den Jusos mittlerweile auch deutlich höher liegen.

Kühnert widersteht am Freitag dem Drang, sich an der großen Koalition abzuarbeiten, obwohl das Thema im Saal am zuverlässigsten Applaus hervorruft. Er gibt kleine Antworten auf große Fragen. Und er versucht die Relevanz der SPD zu betonten, an der nicht wenige zweifeln. "Es gibt keine wirklich fortschrittliche Politik ohne die SPD", ruft Kühnert. Und ja, auch die Jusos hätten daran einen erheblichen Beitrag: "Unsere Rolle hat sich im vergangenen Jahr rapide geändert. Mit unserem Widerstand gegen die Groko haben wir vielen die Hoffnung gegebene, dass politscher Wandel wirklich möglich ist." Auch wenn dieser Widerstand am Ende erfolglos war.

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