SPD: Job für Steg:Heute Merkel, morgen Steinmeier

Last Exit Kanzleramt: SPD-Kandidat Steinmeier macht Merkels Regierungssprecher Steg zu seinem Medienberater im Wahlkampf - nicht jeder ist erfreut.

Thorsten Denkler

Knapp zwölf Wochen vor der Bundestagswahl hat Frank-Walter Steinmeier noch ein paar Dinge zu erledigen. Der Kanzlerkandidat der SPD braucht einen leistungsstarken Kommunikator, der Ordnung schafft in der sogenannten Nordkurve, der Wahlkampfzentrale der Sozialdemokraten im Berliner Willy-Brandt-Haus. Und so holt sich der Außenminister mit dem stellvertretenden Regierungssprecher Thomas Steg einen alten Vertrauten in sein Wahlkampfteam.

SPD: Job für Steg: Zwei, die sich vertrauen: SPD-Kanzlerkandidat Steinmeier und Noch-Regierungssprecher  Thomas Steg.

Zwei, die sich vertrauen: SPD-Kanzlerkandidat Steinmeier und Noch-Regierungssprecher Thomas Steg.

(Foto: Foto: ddp)

Der Neuzugang war lustigerweise in den vergangenen vier Jahren eine wichtige Stütze für Steinmeiers Gegnerin in diesem Wahlkampf: Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Stets loyal sprach Steg für die Regierungschefin, wenn es ihm innerlich womöglich nach klaren SPD-Stellungnahmen drängte.

Der 49-Jährige gehört zu den bedächtigen Akteuren im Berliner Politikbetrieb. Der eloquente Stratege hat Psychologie und Sozialwissenschaften studiert und gilt als ausgeglichener Charakter, der auch mal schweigt, wenn es nichts zu sagen gibt - oder nichts gesagt werden soll. Wichtige Eigenschaften für einen Regierungssprecher. Zumal für einen, der als SPD-Mann das Sprachrohr einer CDU-Kanzlerin sein musste.

Steg also ist für Steinmeier, dessen Umfragwerte verdächtig niedrig sind, der bestmögliche Mann auf dem neuen Posten. Er ist maximal vernetzt in der Hauptstadt, hat schon für die SPD in Niedersachsen gesprochen, ist 1999 mit Gerhard Schröder nach Bonn gekommen, war sein stellvertretender Büroleiter im Kanzleramt und ist seit 2002 stellvertretender Regierungssprecher. Im Team mit Regierungssprecher Ulrich Wilhelm hat er den Part des Intellektuellen.

Seit April soll die Entscheidung bereits stehen, dass Steg mit Beginn der Sommerpause ins Willy-Brandt-Haus wechselt. Die Idee dazu kam aus dem Auswärtigen Amt. Sie beruht auf zwei Annahmen: Zum einen kann Steinmeier seinen Wahlkampf nicht aus dem Ministerium heraus managen lassen - und zum anderen will die Parteispitze den Wahlkampf kurz und heftig werden lassen. Motto: Regieren bis zur Sommerpause und dann aus allen Rohren schießen. Da braucht Steinmeier Hilfe.

Steg bot sich an: Viel zu kommunizieren gibt es in der Regierung bis zur Wahl ohnehin nicht mehr. Die hochgeschätzten Kapazitäten des SPD-Manns hätten brachgelegen - und das mitten in der heißen Wahlkampfphase.

Der Noch-Vizeregierungssprecher hat sich offenbar ausbedungen, federführend für die Kommunikation des Kanzlerkandidaten zu sein. Dies wohl in enger Absprache mit dem ehemaligen Spiegel- und Bild-am-Sonntag-Mann Uli Deupmann im Auswärtigen Amt; dessen Funktion ist mit Redenschreiber deutlich unter Wert beschrieben. Deupmann ist einer der wichtigsten Spindoktoren in Steinmeiers Umfeld.

Im Willy-Brandt-Haus bleibt soweit alles beim Alten. Parteisprecher Stefan Giffeler koordiniert die Pressearbeit für den Vorsitzenden Franz Müntefering, seine Stellvertreterin Karin Nink für Generalsekretär Hubertus Heil. Kajo Wasserhövel wiederum ist Chef der Nordkurve und managt den Gesamtwahlkampf der Partei.

Allerdings wird er sich dabei von Steg durchaus auf die Finger schauen lassen müssen. Bisher haben Müntefering und sein Vertrauter Wasserhövel Wahlkampfsachen eher unter sich ausgemacht. Das Ergebnis: beispielsweise die aggressiv-naive Plakat-Kampagne zur Europawahl mit dem süßen Finanzhai, der FDP wählen würde. Die SPD konnte am Wahlabend nicht gerade herzhaft zubeißen.

Weniger ein Grund für Stegs neuen Job dürfte die Kritik an der mangelnden Performance des Kandidaten Steinmeier sein. Da laufe alles nach Plan, heißt es bei der SPD. Nach der überraschend guten Rede des langjährigen Spitzenbeamten auf dem Wahlparteitag der SPD Mitte Juni schien der Kandidat plötzlich in der Versenkung verschwunden zu sein, statt den Schwung mitzunehmen und weiterzutragen. Erklärt wird das mit der Doppelrolle Steinmeiers als Außenminister/Vizekanzler und Kanzlerkandidat.

Und doch wird in der SPD von Kommunikationsproblemen zwischen Nordkurve und Auswärtigem Amt berichtet, von unklaren Zuständigkeiten. Die Beteiligten bestreiten jedoch, dass es da etwas zu bemängeln gäbe, was das übliche Maß an Reibereien überschreitet.

Dennoch soll Steg wohl auch für Ruhe sorgen. Steinmeier hegt womöglich den Wunsch, dass sich die Wahlkampagne ihm anpasst - und nicht er sich der Kampagne. Das könnte noch zur Konfliktlinie werden.

Münteferings Ungeschicklichkeiten

Offensichtlich waren zuletzt viele Ungeschicklichkeiten von Parteichef Müntefering. Zur Europawahl kündigte er einen totalen Reinfall für die CDU an - sie wurde ein Reinfall für die SPD. Als Grund machte er nicht eigene Fehler aus, sondern das mangelnde Verständnis der Bürger dafür, wie wichtig Europa für sie sei.

Nach der Opel-Rettung wiederum wollte Müntefering umgehend Arcandor mit Staatsgeld beglücken - was auch in der eigenen Partei für Kopfschütteln sorgte. Und auf dem Parteiabend vor dem auf Steinmeier zugeschnittenen Wahlparteitag stahl er dem Kandidaten die Show, indem er unabgesprochen den Genossen offiziell seine neue Lebensgefährtin Michelle Schumann vorstellte. Die Frage wird sein, ob Steg seine psychologischen Kenntnisse auch beim Parteichef wird anbringen können.

Zu tun gibt es also genug für Steinmeiers neuen alten Mann. Er wird Steinmeier darstellen müssen als Kandidaten, der Kanzler kann und will - und der vor allem Chancen hat, es auch zu werden. Da helfen Berichte nicht unbedingt weiter, wonach Müntefering in einer Strategiesitzung der Parteiführung ein Wahlziel von 30 plus x ausgegeben haben soll. Bisher hatte es immer geheißen, die SPD habe den Anspruch stärkste Kraft zu werden.

Noch ist die Personalie Steg allerdings nicht wasserdicht. Kanzlerin Angela Merkel hat sich zwar bereiterklärt, ihren Sprecher herzugeben. Allerdings nur, wenn die SPD einen Ersatz stellt.

In dieser Frage ist Merkel offenbar wählerisch. Den Sprecher von Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee, Rainer Lingenthal, und Steinmeiers Büroleiter Stephan Steinlein hat sie offenbar schon abgelehnt. Bis Mitte der Woche soll die Entscheidung fallen.

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