Süddeutsche Zeitung

SPD in Thüringen:Der Traum vom Putsch

Die Gegner des thüringischen SPD-Chefs Matschie formieren sich. Die Basis soll die schwarz-rote Koalition stoppen. Doch der Aufstand droht an persönlichen Rachegelüsten zu scheitern.

Michael König

Das Com-Center in Erfurt ist ein verkehrsgünstig gelegener Veranstaltungsort - direkt an der A 71, die Thüringen mit Bayern verbindet. Normalerweise werden hier Menschen für die Arbeit am Computer fit gemacht. Sie lernen mit Betriebssystemen umzugehen oder Programme zu schreiben.

Am kommenden Samstag gibt es hier einen einmaligen Fortbildungskurs, der sich nur an Mitglieder der Thüringer SPD richtet. Der Titel könnte "Meuterei gegen Matschie" lauten. Auf der Tagesordnung könnte stehen: Wie die Parteiführung abgesägt wird und statt einer schwarz-roten eine rot-rot-grüne Koalition im Thüringer Landtag entsteht.

Zu dieser Tagung eingeladen hat eine Initiativgruppe, die den Durchmarsch nach rechts stoppen will. Als Anführer wird der Erfurter Oberbürgermeister Andreas Bausewein genannt. Der ehemalige SPD-Landesvorsitzende und Innenminister Richard Dewes sieht in ihm schon den neuen Spitzengenossen in Thüringen.

"Wir steuern auf einen Super-GAU zu. Die Führung arbeitet an Schwarz-Rot, und wenn sie merkt, dass die Mitglieder das nicht wollen, ist es zu spät", sagt Bausewein im Gespräch mit sueddeutsche.de. Er will deshalb am kommenden Samstag ein "Stimmungsbild an der Basis" einholen, um seine eigene Wahrnehmung zu überprüfen: "So wie ich das mitbekomme, sind 80 Prozent der Mitglieder in Erfurt gegen eine Koalition mit der CDU."

Bausewein kritisierte, die SPD-Führung mache es sich zu einfach: "Ich arbeite in Erfurt seit drei Jahren mit der Linken zusammen. Da müssen Sie viel reden, aber dann funktioniert es." In einer schwarz-roten Koalition drohe die SPD zum Spielball der Union zu werden: "Ich schätze (die designierte CDU-Ministerpräsidentin) Christine Lieberknecht, sie ist eine patente Frau. Aber sie wird das Gesicht dieser Koalition werden und dafür sorgen, dass sich die CDU erholt, während wir nicht aus der Krise kommen."

Der SPD-Vorsitzende Christoph Matschie hatte sich mit Grünen und Linken nicht auf einen gemeinsamen Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten einigen können und Koalitionsgespräche mit der Union aufgenommen.

Der ehemalige thüringische SPD-Chef Dewes nannte Matschie daraufhin einen "politischen Scharlatan" und will die Mitglieder über die Koalitionsfrage entscheiden lassen. Um einen solche Abstimmung zu veranlassen, bedarf es der Unterstützung von 400 Genossen - am Samstag im Com-Center könnten die ersten Unterschriften gesammelt werden.

Auf der nächsten Seite: Während die Matschie-Anhänger einen Rachefeldzug wittern, wehrt sich Bausewein gegen die Rolle des Anführers.

Die Matschie-Mannen sehen in dem Putschversuch einen bloßen Versuch Dewes', Rache zu üben. Nach der verlorenen Landtagswahl 1999 hatte er das Amt des Parteivorsitzenden an Matschie abgeben müssen. 2007 wollte der Ex-Chef zurück in die Spitzenpolitik und sich an Matschie vorbei zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl 2009 wählen lassen. Es kam im Februar 2008 zu einer Urabstimmung unter den Mitgliedern, die Dewes klar verlor: Nur 27 Prozent stimmten für ihn, Matschie erhielt 71,6 Prozent.

Anschließend habe es im Parteivorstand eine "Säuberungsaktion" gegeben, sagte Bausewein in einem Interview mit Welt Online: "Damals wurden alle abgewählt, die bei der Urwahl für den Gegenkandidaten Richard Dewes gestimmt haben - unabhängig davon, was sie für die Partei geleistet haben. Das war nicht gut für die innerparteiliche Demokratie."

Sollte Dewes nun eine späte Revanche glücken, will er den Erfurter Oberbürgermeister zum Matschie-Nachfolger machen: "Dann ist es Zeit für eine neue Formation, sicherlich mit Andreas Bausewein an der Spitze", sagte Dewes dem Spiegel.

Dewes' Kandidat will davon allerdings nichts wissen. Eine Zuspitzung des innerparteilichen Konflikts auf das Duell Matschie gegen Bausewein will er unbedingt vermeiden. Damit droht die Meuterei an der Personaldebatte zu scheitern.

"Es geht nicht um Personen, sondern um Inhalte", sagt Bausewein zu sueddeutsche.de und weist seinen Fürsprecher zurecht: "Ich wäre Richard Dewes dankbar, wenn er sich mit solchen Äußerungen zurückhalten würde. Sie sind in unserer Situation wenig hilfreich." Er hege keine Ambitionen auf einen Karrieresprung: "Ich bin Erfurter Oberbürgermeister und will es auch bleiben."

Bausewein wehrt sich auch gegen den Eindruck, er könne einen Putsch gegen Matschie anstreben: "Es sind alle SPD-Mitglieder eingeladen, auch solche, die eine Koalition mit der CDU befürworten. Das wird keine rot-rot-grüne Jubelkonferenz", sagte der 36-Jährige. Da es sich bei der Versammlung am Samstag um kein offizielles Gremium der Partei handele, könne sie ohnehin "nur an die Parteiführung appellieren, auf die Stimme der Basis zu hören".

Die Koalitionsgespräche sollen am Mittwoch beginnen. Ende Oktober haben die Parteitage von CDU und SPD das letzte Wort. Spätestens dann wird sich zeigen, ob die Abweichler ihre Meuterei gut vorbereitet haben.

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