SPD in Ostdeutschland:Hilflos, aber hoffnungsfroh

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Vor ein paar Jahren waren die Sozialdemokraten in den neuen Bundesländern noch in der komfortablen Lage, sich ihre Regierungspartner aussuchen zu können - jetzt laufen sie Gefahr, zwischen CDU und PDS zerrieben zu werden.

Von Jens Schneider

Es gibt Sozialdemokraten, für die das Desaster ihrer Partei im Saarland auch etwas Ermutigendes hat. Da ist zum Beispiel Thomas Jurk, Spitzenkandidat und seit kurzem auch Parteichef der SPD in Sachsen. Das Resultat habe gezeigt, dass "auf Demoskopen Verlass ist", meinte Jurk am Wahlabend.

Hofft auf zwölf Prozent Zustimmung bei der Landtagswahl: der sächsische SPD-Chef Thomas Jurk. (Foto: Foto: dpa)

Die Ergebnisse an der Saar seien im Bereich des Vorhergesagten ausgefallen. Für Jurk heißt das, dass auch seine Umfragewerte kurz vor der Landtagswahl in Sachsen am 19. September verlässlich sein könnten. "Die SPD ist auf dem Weg aus dem Hartz-Tal", freut er sich also.

Das klingt - zumal, wenn man die Umfragen aus Sachsen kennt - nach Galgenhumor, soll aber gar keiner sein. Tatsächlich könnten Sachsens Sozialdemokraten schon froh sein, wenn sie die zuletzt prognostizierten zwölf Prozent einfahren.

Das wäre ein Fortschritt für die Volkspartei, die in Sachsen keine ist. Noch immer können sie nicht gewiss sein, dass sie nicht doch unter das Ergebnis von 1999 (10,7 Prozent) rutschen.

Sachsen-SPD politisch marginalisiert

Die Sachsen-SPD ist schon lange an dem Punkt angekommen, dem die anderen Landesverbände im Osten sich mit rasender Geschwindigkeit zu nähern scheinen: ganz unten und politisch marginalisiert hinter CDU und PDS.

"Es besteht die ernsthafte Gefahr, dass die SPD im Osten abgedrängt wird", sagt Thüringens Landes-Chef Christoph Matschie. Die Partei müsse dringend eine Debatte darüber führen, "was soziale Balance ist. Wir müssen mit den Menschen sprechen, was der Staat leisten kann und muss".

Diese Debatte sei bei den Hartz-Reformen versäumt worden. Man habe sich zu sehr im Detail verloren. Matschie spricht von einer "völlig misslungenen Kommunikation".

Der SPD im Osten droht eine Art struktureller Perspektivlosigkeit, weil sie zwischen der CDU auf der Rechten und der PDS auf der Linken zerrieben wird. Noch vor ein paar Jahren sahen gerade linke ostdeutsche Sozialdemokraten sich in einer komfortablen Lage. In Sachsen-Anhalt konnte der damalige Regierungschef Reinhard Höppner noch 1998 zwischen den möglichen Regierungspartnern CDU oder PDS wählen.

Anfang vom Ende der luxuriösen Optionen

In Thüringen versuchte der damalige SPD-Spitzenkandidat Richard Dewes ein Jahr später, in der Bündnisfrage zu pokern und ließ beide Optionen bis zum Tag der Wahl offen. Als seine SPD dann - als erste bei einer Landtagswahl - hinter der PDS landete, zeichnete sich für die Partei der Anfang vom Ende der luxuriösen Optionen ab. Inzwischen wird die SPD selbst in früheren Hochburgen wie Brandenburg von der PDS überholt.

Nun steht sie entweder nahezu ohne Option da, wie nach der Landtagswahl in Thüringen und vermutlich in Sachsen. Oder sie ist auf die CDU angewiesen, wenn sie nicht Mehrheitsbeschaffer der PDS sein will. Immerhin erspart dies der SPD die Debatte über das Verhältnis zur PDS, die sie einst in einigen Landesverbänden zu zerreißen drohte.

Angesichts der so negativen Stimmung im Osten, die vor allem durch die Bundespolitik entstanden ist, herrscht bei den Sozialdemokraten weitgehend Ratlosigkeit. "Wir können", so heißt es im Stillen in einem Landesverband, "im Moment nicht viel machen".

Die PDS ist immer radikaler

Auch kritische Töne etwa gegen Hartz IV helfen wenig, so die Erfahrung aus den Wahlkämpfen. Denn die PDS ist mit ihrer totalen Ablehnung der Reformen immer noch radikaler. So gibt es auch nur selten Forderungen nach Nachbesserungen.

Stattdessen bekennen sich selbst Vertreter des linken Flügels in den Landtagswahlkämpfen in Brandenburg und Sachsen demonstrativ zu den Reformen. In Brandenburg bezeichnet Ministerpräsident Matthias Platzeck die Reformen im Wahlkampf offensiv als überfällig.

In Sachsen versucht Jurk zu punkten, indem er Regierungschef Georg Milbradt von der CDU wegen dessen "Wankelmütigkeit" in Sachen Hartz IV attackiert - und selbst immer wieder mit Erklärungen zu Reform-Details den Bürgern die Sorgen zu nehmen sucht.

Wahlkämpfer berichten, dass die Aufklärung zur Entspannung der Situation führe. Spürbar umkehren könne sich der Trend aber erst, so der Thüringer Matschie, "wenn die Leute das Gefühl haben, was die SPD gemacht hat, hat dem Land geholfen."

Wie schon bei der Gesundheitsreform werde die Erfahrung spätestens im nächsten Jahr viele erkennen lassen, so Matschie, dass Hartz IV eben nicht Armut per Gesetz sei und die Horrorvisionen nicht eintreten würden. "Ich glaube nicht", sagt Matschie, "dass die SPD dauerhaft weg ist vom Fenster. Aber wir müssen selbstbewusst vertreten, was wir wollen."

© SZ vom 7.9.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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