SPD in Nordrhein-Westfalen:Ohne Kraft keine Koalition

Hannelore Kraft SPD

Schlüsselfigur zwischen zwei starken Männern: Hannelore Kraft mit dem SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel (rechts) und Kanzlerkandidat Peer Steinbrück.

(Foto: Getty Images)

In Nordrhein-Westfalens SPD ist der Widerwille gegen eine große Koalition am greifbarsten. Viele fürchten, dass ein Bündnis mit der CDU schnell Stimmen und Mehrheiten bei der kommenden Kommunalwahl kosten wird. NRW-Ministerpräsidentin Kraft kommt daher eine entscheidende Rolle zu.

Von Susanne Höll, Berlin

Die SPD steht vor einer Zerreißprobe. Die Partei ist tief gespalten in der Frage, ob man das Wagnis einer großen Koalition im Bund noch einmal eingehen kann oder nicht. Gut möglich, dass letztendlich die Basis entscheiden wird, in einer Mitgliederbefragung. Aus einigen Landesverbänden, darunter Baden-Württemberg, Bayern, Berlin und auch dem mächtigen und einflussreichen Nordrhein-Westfalen kommen entsprechende Forderungen. Ein kleiner Parteitag könnte bereits am Freitag entscheiden, dass ein schwarz-rotes Bündnis am Schluss von der Basis gebilligt werden müsste.

Doch vorher haben andere das Sagen - vor allem eine Frau. NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, zugleich Vize-Chefin der Bundespartei, ist eine Schlüsselfigur in der schwierigen Operation. Aus der Bundes-SPD verlautet: "Wir werden nichts gegen den Willen von NRW machen." Was NRW - sprich die Ministerpräsidentin und deren Landespartei - will, steht noch nicht genau fest.

Aber der Widerwille gegen Schwarz-Rot in Berlin ist groß. In einem Beschluss des Landesverbandes heißt es: "Die SPD ist (bei der Bundestagswahl) nicht dafür angetreten, um als Mehrheitsbeschafferin die CDU an der Regierung zu halten und ihr so eine Fortsetzung der bisherigen Politik zu ermöglichen." Damit ist die Tür für Bündnisverhandlungen nicht zugeschlagen.

Aber auch Kraft persönlich macht aus ihren Einwänden keinen Hehl. Die Sozialdemokraten vom Rhein und aus Westfalen fürchten, wie sie in vertraulichen Gesprächen sagen, dass eine große Koalition die SPD in Ländern und Kommunen schnell Stimmen und Mehrheiten kosten wird. Am 25. Mai 2014 finden parallel zur Europawahl in zehn Bundesländern Kommunalwahlen statt, auch in NRW. Ein namhafter Sozialdemokrat sagt: "Das ist so etwas wie eine kleine Bundestagswahl." Dass man sie gewinnen kann, als Juniorpartner in einer politischen Ehe mit Merkel, glaubt der Mann nicht.

Für eine Koalition im Bund müssten Ministerpräsidenten geopfert werden

Und bei den Kommunen wird es nicht bleiben, so die Ahnungen der Sozialdemokraten. Anschließend müsse man um die Mehrheiten in Ländern bangen, von denen einige - darunter etwa Hamburg - sie erst wieder errungen hatten. Kraft, so sagt einer aus der SPD-Führungsmannschaft, spreche nur klarer aus, was andere SPD-Landespolitiker ebenfalls umtreibe.

Für eine mutmaßlich hoch problematische Koalition im Bund müssten womöglich die Ministerpräsidenten-Posten geopfert werden, die der Partei im Bundesrat inzwischen eine Vormachtstellung beschert haben. Zugleich ginge die SPD wohl mit geringen Erfolgsaussichten in die Bundestagswahl 2017. Auch SPD-Bundespolitiker teilen diese trüben Überlegungen. Gäbe es eine praktikable Alternative zur großen Koalition, würden die Sozialdemokraten sie sicher ergreifen.

Auch die SPD-Bundestagsabgeordneten, die am Dienstag erstmals nach der Wahl in Berlin zusammenkamen, beurteilen eine große Koalition äußerst skeptisch. Manche von ihnen brachten Auswege ins Gespräch, eine Minderheitsregierung Merkels etwa, unterstützt in Europafragen dann von der SPD. Dagegen spricht, dass die Kanzlerin einen solchen Schritt komplett ausschließt.

Neuwahlen lehnen die meisten SPD-Parlamentarier energisch ab. Dann würden die Sozialdemokraten mit einem katastrophalen Ergebnis bestraft. Die baden-württembergische Bundestagsabgeordnete und Sprecherin des Linksflügels, Hilde Mattheis, meinte zwar, für einen solchen in der Bevölkerung unpopulären Schritt könne man dann Merkel und die Union politisch verantwortlich machen. Mit dieser Ansicht steht Mattheis in der SPD aber ziemlich allein.

In der Fraktionssitzung wurde auch der bisherige Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier wieder gewählt, mit 91 Prozent Zustimmung der insgesamt 192 neuen SPD-Bundestagsabgeordneten. Bei seiner ersten Wahl 2009 hatte er knapp 89 Prozent erhalten. Auch der Erste Parlamentarische Geschäftsführer, Thomas Oppermann, wurde in seinem Amt bestätigt, mit 81,5 Prozent. Sowohl Steinmeier als auch Oppermann gelten auch als Anwärter auf Ministerposten, wenn tatsächlich eine neue große Koalition zu Stande kommen sollte. Wenn sie dann in eine Regierung wechseln, was bei Steinmeier allerdings noch fraglich ist, müssten die Spitzenämter der Fraktion in einigen Wochen neu verteilt werden.

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