SPD:In Grund und Boden

Der Vorstoß für eine neue Bodensteuer weckt unerfüllbare Erwartungen und desavouiert die eigene Regierungsarbeit.

Von Cerstin Gammelin

Wenn zwei Finanzminister, ein amtierender beim Bund und ein ehemaliger im größten deutschen Bundesland, an der Spitze derselben Partei stehen, haben sie genau zwei Möglichkeiten. Sie können sich verabreden, ihren Sachverstand zu bündeln und damit in der Partei und im Land, immerhin der größten europäischen Volkswirtschaft, finanzpolitisch tonangebend zu werden. Oder sie können freilich auch versuchen, sich persönlich zu profilieren. Was in Anbetracht des Zustands der Sozialdemokratie zwar ein schwerer Fehler wäre - wonach es aber inzwischen bei Olaf Scholz und Norbert Walter-Borjans aussieht.

Noch ist es ein zivilisiertes Gerangel, das sich Scholz und Walter-Borjans liefern. Aber es nimmt an Schärfe zu. Als der SPD-Parteitag im Dezember unter dem neuen Co-Vorsitzenden Walter-Borjans für die Aufnahme neuer Schulden stimmte, blieb Scholz dem Votum fern; offiziell aus Krankheitsgründen. Jetzt aber hat Walter-Borjans den nächsten Vorstoß unternommen: Der durch den Ankauf von Steuer-CDs bekannt gewordene frühere Finanzminister Nordrhein-Westfalens will eine neue Steuer einführen, um den teilweise extremen Wertzuwachs von Grund und Boden abzuschöpfen. Wer demnach ohne eigenes Zutun zum Multimillionär wird, muss der Gemeinschaft etwas abgeben. Mit den Einnahmen soll der kommunale Wohnungsbau vorangetrieben werden. Das klingt nach einem Plan, sicher. Aber bei näherer Betrachtung weder nach einem funktionstüchtigen, noch nach einem abgestimmten.

Es ist ja richtig und sogar überfällig, Bodenspekulationen einzudämmen. Die Politik darf es angesichts der Wohnungsnot nicht akzeptieren, dass Eigentümer Bauland zurückhalten, weil sie auf Wertzuwachs spekulieren und später teuer verkaufen wollen. An dieser Stelle aber kommt bereits der Bundesfinanzminister ins Spiel. Scholz hat im vergangenen Jahr eine hochkomplizierte Reform der Grundsteuer durch die parlamentarischen Gremien und die Bundesländer gebracht. Daran kann man zu Recht vieles bemängeln. Eines aber nicht: dass Scholz nichts gegen Spekulanten unternommen hätte. Im Gesetz steht die sogenannte Grundsteuer C, über die Kommunen künftig Wertzuwächse auf Bauland besteuern können. Eigentümer, die Bauland ungenutzt lassen, werden zur Kasse gebeten. Das macht Spekulationen weniger attraktiv.

Gewiss, der Vorschlag von Walter-Borjans geht darüber hinaus. Er will, dass praktisch jährlich der Wert des Bodens ermittelt und besteuert wird - und nicht alle paar Jahre. Trotzdem ist erstaunlich, dass er eine weitere Steuer vorschlägt, ohne die Wirkung der von Scholz durchgesetzten Reform der Grundsteuer abzuwarten. Gerade ihm als früherem Finanzminister ist der Widerstand gegen Vermögensteuern jeder Art bekannt - und genau das ist die geforderte Bodensteuer. Statt langfristig zu planen, weckt er kurzfristig unerfüllbare Erwartungen und desavouiert die eigene Regierungsarbeit.

Man kann Walter-Borjans zugute halten, neu im Amt des Parteichefs zu sein. Er hätte dennoch bedenken müssen, dass es ungeschickt ist, eine neue Steuer zu fordern, ohne sich mit dem eigenen Bundesfinanzminister abzusprechen. Gerade Sozialdemokraten sollten wissen, dass Schlachten nur zu gewinnen sind, wenn man die eigenen Kräfte bündelt.

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