SPD in der großen Koalition:Ende des Feuerwerks

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Die großen sozialdemokratischen Projekte vom Mindestlohn bis zur Frauenquote sind durch. Jetzt kommen karge Jahre für den Juniorpartner in Merkels Koalition.

Von Robert Roßmann

In der Politik gibt es viele undankbare Aufgaben. Wenn es der Herrgott schlecht mit einem meint, macht er einen zum Vorsitzenden der Kreuzberger FDP oder zum Chef der Sylter Linkspartei. Auch die bayerischen Sozialdemokraten sind Leid gewohnt. All das ist aber nichts im Vergleich zu der Aufgabe, die der SPD-Bundestagsfraktion am Freitag auferlegt wurde. Aus Koalitionsräson mussten die Genossen der Ausländer-Maut der CSU zur Mehrheit verhelfen, obwohl sie diese für himmelschreienden Unsinn halten. Gegen kein Projekt hatten die Sozialdemokraten schärfer Wahlkampf geführt als gegen die Maut. SPD-Vize Stegner hatte sogar gehöhnt, die Maut werde nur kommen, wenn Ostern und Weihnachten zusammengelegt würden. Jetzt ist Ostern ohne Weihnachten, dafür aber mit Maut. Der Spott, den die SPD ertragen muss, ist groß.

Das allein wäre für die Sozialdemokraten schon unangenehm genug. Doch der vergangene Freitag markiert für die SPD auch eine Zäsur: Mit der Maut-Entscheidung sind die Wellness-Monate der Sozialdemokraten in der Regierung zu Ende gegangen. Bisher konnte die SPD einen Erfolg nach dem anderen vermelden. Rente mit 63, Mindestlohn und Doppelpass sind bereits verabschiedet. Am Freitag nahmen im Bundesrat auch die Frauenquote und die Mietpreisbremse die letzten Hürden. Selten konnte eine Partei ihre Wahlversprechen so schnell und umfassend erfüllen.

In der Union ist man genervt vom Feind im eigenen Bett

Das lag auch daran, dass die Grünen nach der Bundestagswahl so früh aus den Gesprächen mit der Union ausgestiegen waren. Außerdem konnte die SPD der Union damals stets damit drohen, dass der Koalitionsvertrag unter dem Vorbehalt des SPD-Mitgliedervotums stehe. Deshalb gelang es der SPD, bei den Verhandlungen erstaunlich viel durchzusetzen.

Seit Freitag aber sind nun alle großen SPD-Projekte aus dem Koalitionsvertrag abgearbeitet. Und damit hat die Sonderkonjunktur der sozialdemokratischen Themen ein Ende. Anders als bei den Koalitionsverhandlungen hat die SPD keinen Hebel gegen die übermächtige Union mehr. Von nun an gilt das eigentliche Machtverhältnis - und das lautet seit der Wahl 41,5 zu 25,7 Prozent für die Union.

Für die Sozialdemokraten ist diese Zäsur gleich in mehrfacher Hinsicht ein Problem. Zum einen ist es der Partei trotz des Feuerwerks an SPD-Projekten nicht gelungen, den Zuspruch bei den Bürgern zu vergrößern. Ihr wird - allen Bemühungen von Sigmar Gabriel zum Trotz - immer noch keine Wirtschaftskompetenz zugeschrieben. Zum anderen steht jetzt die Umsetzung der Projekte an, die der SPD wehtun. Die Maut war nur der Anfang. Es folgen die Vorratsdatenspeicherung, das Freihandelsabkommen TTIP und die Senkung des Solidaritätszuschlags. Dabei können die vielen klammen SPD-regierten Bundesländer eigentlich auf keinen Euro verzichten. Auch bei der Energiewende sind die Sozialdemokraten in der Defensive. Gabriel ist als zuständiger Minister vom Wohlwollen der Union abhängig, um eine wenigstens einigermaßen akzeptable Lösung präsentieren zu können.

Selbst aus den Landtagswahlen wird die SPD in dieser Legislaturperiode keinen Honig mehr saugen können. Bei den wichtigsten Entscheidungen - in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen - kann die Partei eigentlich nur verlieren; sie sitzt ja bereits überall in der Regierung. Die Umfragen sagen einen knappen Ausgang voraus. Dass die FDP auf einmal wieder an der Fünf-Prozent-Hürde kratzt, erschwert die erhofften rot-grünen Mehrheiten - genauso wie der Erfolg der AfD.

Gleichzeitig gibt es in der Union ein großes Bedürfnis, es den Sozialdemokraten jetzt endlich mal heimzuzahlen. CDU und CSU sind nach einem Jahr voller SPD-Projekte genervt. Selbst in der Spitze der Unionsfraktion nennen sie die SPD offen den "Feind im Bett". Die Junge Union montiert die Ministerinnen Nahles und Schwesig in DDR-Plakate, um sie als Quasi-Kommunistinnen zu diskreditieren. Der Wirtschaftsflügel der Union hält die beiden Genossinnen sowieso für Beelzemädchen. Die Union hat jetzt die Macht und die Lust, es der SPD zu zeigen. Für die schwächelnden Sozialdemokraten sind das keine guten Aussichten.

Einziger Lichtblick für die SPD ist ausgerechnet die CDU-Chefin. Angela Merkel profitiert über alle Maßen von der großen Koalition - sie ist inzwischen eine Art Präsidenten-Kanzlerin. Außerdem verlangen die vielen außenpolitischen Krisen innenpolitischen Rückhalt. Merkel wird deshalb aus Eigeninteresse nicht zulassen, dass ihre Partei die SPD ohne Not vorführt. Für eine stolze Volkspartei wie die SPD ist das allerdings die schlimmste Form der Demütigung: vom Wohlwollen des Gegners abhängig zu sein.

© SZ vom 30.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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