SPD in Baden-Württtemberg:Zweiter sein und genießen

Die SPD in Baden-Württemberg freut sich darüber, endlich mal wieder mitzuregieren. Dass sie das mit dem schlechtesten Nachkriegs-Wahlergebnis und als Juniorpartner der Grünen tut, scheint keinen zu stören. Vor allem mit der Position in der Stuttgart-21-Frage hofft man auf großen Stimmenfang.

Roman Deininger, Stuttgart

Wenn man dieser Tage mit baden-württembergischen Sozialdemokraten über Stuttgart 21 redet, dann lehnen sie sich tief in ihre Sessel zurück, legen mindestens einen Arm lässig auf die Lehne und knipsen ihr zartestes Lächeln an. Man darf das bildlich verstehen: In der Bahnhofsfrage ist die SPD in einer ziemlich komfortablen Position.

Bundestag - Nils Schmid

Besser Zweiter in der Regierung als Erster in der Opposition: Baden-Württembergs SPD-Chef Nils Schmid.

(Foto: dpa)

Die Roten wollen den Tiefbahnhof, und sie müssen dafür erst mal nichts anderes tun, als zu warten und anzusehen, wie der grüne Koalitionspartner sich zunehmend hilflos an der Bahn abarbeitet. Claus Schmiedel, der SPD-Fraktionschef im Landtag, sagt: "Die Dinge laufen für uns."

Dass die Dinge in Baden-Württemberg für die SPD laufen, ist ein seltenes Phänomen. Die Sozialdemokraten regieren jetzt im Südwesten, aber man könnte argumentieren, dass bei der Landtagswahl im März viel schiefgelaufen ist für sie. 23,1 Prozent der Stimmen holte die Partei, so wenig wie noch nie nach dem Krieg.

Immer waren die Roten hinter der unerreichbaren CDU die zweitstärkste Kraft im Landtag gewesen; jetzt sind sie zweitstärkste Kraft nur noch in der Koalition mit den Grünen. Auf die hatten viele Sozialdemokraten bis vor kurzem noch als verirrte Kinder der SPD herabgeblickt. Nach der Wahl redeten sich die Genossen das Ergebnis dann mit großer Leidenschaft schön: Glas halbvoll, nicht halbleer! Besser Zweiter in der Regierung als Erster in der Opposition!

Zweiter in der Regierung, das zumindest kennen die Sozialdemokraten schon. Zwölf Jahre waren sie insgesamt Juniorpartner der CDU, zuletzt von 1992 bis 1996. Danach stürzten sie jäh ab. Aus dieser Erfahrung, sagt Wolfgang Katzmarek, müsse man Lehren ziehen: "Wir dürfen nicht vor lauter Regierungsbegeisterung vergessen, ein klares Profil als Partei zu entwickeln."

Katzmarek ist Kreisvorsitzender in Mannheim, im "roten Mannem", dem einzigen Ort in Baden-Württemberg, wo die SPD auf die Reste eines Arbeitermilieus bauen kann. Anderswo hat es ein solches nie gegeben: Der Südwesten wurde spät industrialisiert, und wer tagsüber in den Fabriken malochte, bestellte abends meist noch ein eigenes Stück Ackerland. Eine reine Arbeiterpartei konnte hier keine Wurzeln schlagen.

Noch heute wählen viele Industriearbeiter CDU - und junge Akademiker die Grünen. In Mannheim hat die SPD am 27. März ihr einziges Direktmandat gewonnen. Diesen Erfolg, sagt Katzmarek, habe die SPD auch ihrer Verlässlichkeit in der Kommunalpolitik zu verdanken: "Die Menschen in Mannheim wissen, wofür wir stehen, für gute Arbeit und gute Bildung, für ein gutes Verhältnis von Wirtschaft und Ökologie." In der Landespolitik freilich haben die Grünen dieses Thema besetzt.

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