SPD in Baden-Württemberg:Im Schlepptau der Grünen

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Lange vor der CDU war die SPD das erste Opfer des grünen Höhenflugs in Baden-Württemberg. Zwar dürfen die Sozialdemokraten als Juniorpartner mitregieren, doch beim Wähler kommt das nicht gut an.

Roman Deininger, Stuttgart

Der baden-württembergische Wirtschaftsminister Nils Schmid steht im Schatten von Ministerpräsident Winfried Kretschmann - so wie die gesamte SPD. (Foto: dpa)

Die Grünen reden und reden dieser Tage in Stuttgart, auf Wahlpartys und in Landtagsfluren, und sie strahlen dabei. Sie reden darüber, wie weit sie schon gekommen sind und wie weit sie noch kommen können. Sie kriegen den Mund gar nicht mehr zu und das Strahlen nicht mehr aus dem Gesicht, seit Fritz Kuhn am Sonntag das Stuttgarter Rathaus erobert hat. Erst der Ministerpräsident, dann der Oberbürgermeister der Landeshauptstadt: Baden-Württemberg ist jetzt grün. Die Roten dagegen reden nicht viel, und beim Strahlen sind sie schon länger nicht mehr erwischt worden. Von SPD-Landeschef Nils Schmid ist vom Wahlabend ein kurzer Satz überliefert, ein Sätzchen nur, das der grüne Jubel fast verschluckte: "Wir freuen uns ein bisschen mit."

Das Problem der Sozialdemokratie im Südwesten hat Schmid so schon ganz gut umrissen: Sie ist beim großen schwäbischen Abenteuer der Grünen einfach irgendwie mit dabei. Bei der Landtagswahl im März 2011 erhielt die SPD 23,1 Prozent der Stimmen, so wenig wie nie nach dem Krieg. Aber es langte zum Regieren, zum Mitregieren. "Wie tief sollen wir denn noch fallen", fragte damals eine Genossin. Die Antwort hat sie nun eineinhalb Jahre später bekommen: auf 15,1 Prozent bei der Stuttgarter OB-Wahl. Die SPD hatte Bettina Wilhelm ins Rennen geschickt, eine Parteilose, die es an Wahlkampf-Engagement nicht mangeln ließ. Dennoch war das Rennen für die SPD nach der ersten Runde vorbei. Und die Partei begreift langsam, dass das mehr an ihr lag als an der Kandidatin.

Seit Sonntag diskutiert die Republik, wie die Grünen in Baden-Württemberg der CDU das Bürgertum abspenstig machen. Unerwähnt bleibt dabei oft, dass mit der besonderen Stärke der Grünen eine besondere Schwäche der SPD einhergeht. Lange vor der CDU war die SPD das erste Opfer des grünen Angriffs auf die politische Mitte. Das hat auch historische Gründe, die Sozialdemokraten waren in gewisser Weise leichte Beute. Denn ein klassisches Industriearbeitermilieu wie in anderen Ländern gibt es im Südwesten nur in Mannheim - der einzig echten roten Hochburg - und in Stuttgart. Der schwäbische Schaffer war indes auch dort schon immer besser dran als der Kollege anderswo, er hatte sein Gärtle und sein Häusle - und auf dem Häusle hat er halt mittlerweile eine Solaranlage. Seit die Grünen wertkonservativ auftreten, läuft Rot Gefahr, zwischen Schwarz und Grün zerrieben zu werden. Auch für ihre aus innerer Zerrissenheit erwachsene Vermittlerrolle bei Stuttgart 21 ist die SPD nie belohnt worden.

Seinen ursprünglichen Plan, "auf Augenhöhe" mit dem grünen Landesvater Winfried Kretschmann zu regieren, hat Finanz- und Wirtschaftsminister Nils Schmid längst aufgeben müssen. Dem Landesschwiegersohn Schmid bescheinigt zwar selbst die Opposition Fachkenntnis und astreine Umgangsformen. Aber auch er hat das Profil der SPD bisher nicht schärfen können; mit seinen instinktlosen Äußerungen über die Verzichtbarkeit von ein paar Schwarzwaldbauern hat er sich vielmehr selbst geschnitten. Wirtschaftsversteher Schmid hat sich kürzlich gefreut über die Nominierung von Peer Steinbrück als SPD-Kanzlerkandidaten; Steinbrück dürfte jedoch weniger freuen, dass Schmid ihm den Weg zum Sieg kaum mit einem üppigen Stimmenpaket aus dem Südwesten wird ebnen können.

Ende September hielt die SPD Landesparteitag in Wiesloch, das beste Signal, das davon ausging, war das der Geschlossenheit. Die Basis schonte, vielleicht ein letztes Mal, die Kultusministerin Gabriele Warminski-Leitheußer, die sich an allerlei Reformen verhoben hat. Sie schonte Schmid, der im Zuge der Haushaltssanierung diverse Gewerkschaften verärgert hatte, ohne wirklich weiter zu kommen. Dafür kippten die Jusos ein Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen - und fuhren damit ausgerechnet Reinhold Gall an den Karren, dem sehr vorzeigbaren Innenminister.

Ein Thema gibt es, über das die Genossen inmitten all dieser Turbulenzen doch gern reden, sie strahlen vielleicht nicht dabei, dafür wäre es zu früh. Aber die Augen funkeln schon. Die Roten denken dann an den ersten Advent, an dem es für sie eine vorgezogene Bescherung geben soll: Da wollen sie selbst ein schwarzes Rathaus stürmen, das in Karlsruhe, der drittgrößten Stadt im Land. Der SPD-Bewerber, der patente Kulturstaatssekretär Frank Mentrup, gilt als leichter Favorit im Duell mit dem CDU-Bundestagsabgeordneten Ingo Wellenreuther. Die Grünen haben keinen Kandidaten aufgestellt - aus Begeisterung für Mentrup, heißt es, ein wenig aber wohl auch, weil ihnen das Personal ausgeht, das man risikolos aufstellen kann. Es würde der gebeutelten Parteiseele "unheimlich gut tun, das Jahr mit einer Feier zu beenden", sagt ein SPD-Mann. Die Grünen dürften dann sicher ein bisschen mitfeiern.

© SZ vom 25.10.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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