SPD in Baden-Württemberg:Der traurige Dritte

Die Südwest-SPD ist vor der Landtagswahl eine Volkspartei ohne Volk, in Umfragen liegt sie hinter CDU und Grünen. Ihr junger Spitzenkandidat Nils Schmid müht sich, Profil zu gewinnen. Aber er ist abhängig von anderen - und nicht gerade eine Wahlkampfmaschine.

Michael König, Reutlingen

Die SPD hat zwei Spitzenkandidaten für die Landtagswahl in Baden-Württemberg: Nils Schmid und Nils Schmid. Die Sozialdemokraten wünschen sich Nils Schmid als sympathischen und klugen Landesvater. Doch dem könnte Nils Schmid, der Sachpolitiker, im Wege stehen.

Nils Schmid

"Ihr verratet euch aber nicht gegenseitig die Lösung, oder?" Nils Schmid beim Wahlkämpfen.

(Foto: Michael König)

Der eine Nils Schmid steht am Dienstagmorgen in der Bildungswerkstatt der 3000-Seelen-Gemeinde Bergatreute in Oberschwaben. Einer Grund- und Hauptschule, in der die Kinder lange gemeinsam lernen. Mit individueller Betreuung, einer Berufswahl-Beraterin und einem Ganztagesangebot, das die Eltern nur zwei Euro pro Tag kostet. Es ist eine Schule, wie sie Sozialdemokraten vorschwebt. Deshalb ist Nils Schmid heute hier.

Er geht in den Werkraum, wo die Schüler ein Holzmodell eines Leichtathletik-Stadions zusammenbauen. Kinder sind eigentlich ein dankbares Motiv. Fünf Kameras sind auf Schmid gerichtet. Er hat die Hände in den Hosentaschen, runzelt die Stirn, schaut auf das Stadionmodell und stellt Fragen: "Was war das Schwierigste daran? Aber fitzelig war es schon? Da braucht man sicher einen guten Arbeitsplan?"

Später begleitet er eine siebte Klasse bei einer Mathematikstunde, Gruppenarbeit. Schmid verschränkt die Arme und fragt: "Ihr verratet euch aber nicht gegenseitig die Lösung, oder? Dürft ihr wirklich Taschenrechner benutzen?" Das ist der eine Nils Schmid - nicht gerade eine Wahlkampfmaschine. "Die Leute wollen Sachlichkeit, keine Banalisierung", sagt er. Politik dürfe "nicht unterkomplex" sein.

Umfragen wecken bei den Sozialdemokraten die Hoffnungen, mit den Grünen könnte es reichen, den amtierenden Ministerpräsidenten Stefan Mappus und die seit 57 Jahren regierende CDU abzulösen. Aber die Grünen liegen vor der SPD. Wer den einen SPD-Spitzenkandidaten beim Wahlkämpfen erlebt, ahnt, warum das so ist.

Ein Anti-Rambo

Kurz darauf ist der andere Nils Schmid zu sehen und zu hören. Er bringt die mitreisenden Journalisten zum Lachen, wenn er von seinem türkischen Schwiegervater erzählt, der als Zollbeamter lebende Affen und ausgestopfte Bären beschlagnahmt hat. Oder von amüsanten Herausforderungen bei der zweisprachigen Erziehung seiner einjährigen Tochter, weil "Mama" auf türkisch "Essen" bedeutet. "Da weiß man dann nie, was jetzt gemeint ist", sagt Schmid und schmunzelt.

Er hat viele solcher Geschichten auf Lager. Er hat einen interessanten Lebenslauf, seine Familie steht für gelebte Integration. Der filigrane, weltoffene Schmid ist das perfekte Gegenmodell zum fleischigen "Rambo" Stefan Mappus. Nur wollten davon bislang nur wenige etwas wissen.

Es gibt diesen Schmid tatsächlich nur einmal, das legt auch ein Blick in die Biographiedatenbank nahe. 37 Jahre alt, seit 13 Jahren im Parlament. Promovierter Jurist, verheiratet mit einer Türkin, zwei Kinder. Langjähriger finanzpolitischer Sprecher seiner Partei. Ein absoluter Experte seines Fachs, sagen sogar CDU-Kollegen. Ein Mann mit differenzierten Ansichten. Aber eben keiner, der Aussagen zuspitzen und Leute mitreißen kann. Er führe gerne Wahlkämpfe, betont Schmid. "Aber die eigentliche politische Arbeit ist mindestens genauso schön."

Er trinkt den ganzen Tag Tee, um die Stimme zu schonen. Eine Erkältung ist im Anflug, dabei hat der Kampf gerade erst begonnen. Meinungsumfragen taxieren die Sozialdemokraten auf 19 Prozent, das wäre ungefähr das Ergebnis der Südwest-SPD bei der Bundestagswahl 2009. Damals räumte die Landesvorsitzende Ute Vogt anschließend ihren Posten. Schmid setzte sich in einer Mitgliederbefragung als Nachfolger durch. Das hat er jetzt davon. Neun Prozent der Baden-Württemberger wünschen sich Nils Schmid als Ministerpräsidenten. Das ist zu wenig. Aber angesichts der Vorgeschichte kein Wunder.

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