Süddeutsche Zeitung

SPD im Wahlkampf:Der Steinmeier-Versteher

Merkels Sprecher Thomas Steg wechselt die Seite - nun soll er dem SPD-Kandidaten Frank-Walter Steinmeier in schwieriger Lage beistehen. Die Verhandlungen verliefen nicht ohne Probleme.

Susanne Höll

Eigentlich wollte Thomas Steg schon am Freitag dieser Woche seinen Abschied geben, ein allerletztes Mal vor der blauen Wand der Bundespressekonferenz Auskunft über das Treiben der Bundesregierung und seiner obersten Chefin, der Bundeskanzlerin, erteilen. Auf Bitten von Angela Merkel wird er am kommenden Mittwoch nun doch noch einmal vor der blauen Wand auftreten und zuvor im Bundeskabinett offiziell verabschiedet werden, von der Kanzlerin höchstpersönlich, die den fast kahlköpfigen Braunschweiger nach anfänglicher Fremdelei über die Jahre hinweg zu schätzen lernte.

Steg wechselt, wie vor Wochenfrist publik wurde, das Lager. Statt für die CDU-Politikerin Merkel wird er von Juli an für den SPD-Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier sprechen, für zwei Monate jedenfalls, bis zur Bundestagswahl am 27. September.

Der 49 Jahre alte Steg ist SPD-Mitglied, ein überzeugtes wohlgemerkt, auch wenn man ihm das nicht immer anmerkt. Sein Wechsel in das Wahlkampfteam im Willy-Brandt-Haus ist aus parteipolitischer Sicht keine Sensation und hätte unter anderen Umständen kein großes Aufsehen erregt. Aber die Lage der SPD ist so, dass die Personalie Steg für Wirbel sorgte, in und außerhalb der Partei.

NIcht mehr als unter Beck

Denn die Sozialdemokraten und ihr Kandidat befinden sich zehn Wochen vor der Wahl in einer für sie alles andere als komfortablen Lage. Die Partei erhält in Umfragen zwischen 22 und 26 Prozent Zustimmung, nicht mehr also als unter der Ägide des früheren Vorsitzenden Kurt Beck.

Steinmeier ergeht es nicht viel besser, im öffentlichen Ansehen liegt er weit hinter Merkel zurück. Dass der Außenminister tatsächlich Kanzler wird, glauben selbst namhafte Sozialdemokraten nicht mehr, ein packendes Wahlkampfthema ist bislang nicht in Sicht, und noch immer weiß die Partei nicht, in welchem Stil sie die Auseinandersetzung mit der weiterhin populären Kanzlerin führen soll.

Eine gewisse Ratlosigkeit kann man selbst führenden SPD-Mitgliedern anmerken, wenn man über den Wahlkampf spricht. Dass die Partei und ihr Kandidat nicht ausreichend geschätzt würden, sagen die roten Strategen auch. Gerade deshalb kommt nun Steg. Der langjährige Weggefährte von Altkanzler Gerhard Schröder soll dafür sorgen, dass Steinmeier auf dem Weg zum 27. September öffentlich an Profil gewinnt und sein Image als vertrauenswürdiger Spitzenbeamter verliert, das ihm anhaftet.

Steg soll ein Vakuum füllen

Steg wird im August und im September mit dem Kandidaten auf Reisen gehen, seine Interviews koordinieren und seine vielfältigen und guten Kontakte zu den Hauptstadt-Journalisten nutzen, um ihnen den aus seiner Sicht wahren Steinmeier nahezubringen, der sich von der Welt und von den Gazetten oft missverstanden fühlt.

Steg soll mithin ein Vakuum füllen. Denn bislang gab es in Steinmeiers Umgebung niemanden, der ohne jegliche Beschränkung für den Kanzlerkandidaten sprechen konnte. Steinmeiers Mitarbeiter im Auswärtigen Amt sind zumeist Diplomaten, als Beamte ihrem Haus und nicht der SPD verpflichtet. Der Wahlkampfstab im Willy-Brandt-Haus spricht in erster Linie für die Partei und den Vorsitzenden Franz Müntefering, nicht im gleichen Maße für den Kandidaten.

Die Idee, Steg in das Team zu holen, stammt übrigens von Ulrich Deupmann, einem Nicht-Diplomaten aus Steinmeiers Ministeriumsstab, der mit Blick auf den Wahlkampf schon im April anregte, den Regierungssprecher abzuwerben. Spruchreif wurde das Vorhaben aber erst nach dem Europawahl-Debakel der SPD im Juni. Und danach verliefen die Verhandlungen zwischen der SPD und ihrem Mitglied Steg über den künftigen Arbeitseinsatz nicht ganz ohne Probleme.

Allein Steinmeier verantwortlich

Es brauchte, wenn man die Dinge recht versteht, zumindest zwei längere Gespräche mit Steinmeier und Müntefering, damit Steg die Unabhängigkeit erhielt, die ein wirklicher Wahlkampfsprecher benötigt. Erst am Donnerstagabend stand fest, dass Steg einzig und allein Steinmeier verantwortlich ist und nicht der Partei im Willy-Brandt-Haus.

Einen Nachfolger für die letzten 80 Tage der großen Koalition wird Steg auch bekommen. Klaus Vater, der bisherige Sprecher des Gesundheitsministeriums, soll im Wechsel mit Regierungssprecher Ulrich Wilhelm bis Ende September vor der blauen Wand sitzen, auch wenn er sich sehr gegen diese Berufung gesträubt hat. Andere SPD-Kandidaten mit Sprechererfahrung wollte Merkel für den Posten nicht akzeptieren.

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SZ vom 11.07.2009/mikö
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