SPD im Umfragehoch:Schulz ist anders - deshalb hat er Erfolg

Martin Schulz, Angela Merkel

SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz und Kanzlerin Angela Merkel.

(Foto: AP; Bearbeitung SZ)

Mit ihrem Kanzlerkandidaten erklimmt die SPD neue Umfragehöhen. Das liegt auch daran, dass der Überdruss an Merkel ziemlich groß ist.

Kommentar von Kurt Kister

Sieben Monate sind in einem Wahljahr eine lange Zeit, in der sich nahezu alles noch verändern kann. Dennoch ist es bemerkenswert, wo die SPD heute, sieben Monate vor der Wahl, in der Sonntagsfrage steht; zuletzt sagten im "Deutschlandtrend" der ARD 32 Prozent der Befragten, sie würden SPD wählen, wäre jetzt Bundestagswahl. Für die Union sprachen sich nur noch 31 Prozent aus, Grüne, Linke und FDP liegen zwischen sechs und acht Prozent und sind damit große Marginalparteien. Die Rechten von der AfD verlieren; sie sind mit zehn Prozent im Moment nicht marginal, aber auch nicht wirklich bedeutend.

Die SPD hat einen Kanzlerkandidaten benannt, der relativ unbekannt ist. Weil sich sonst bei den Sozialdemokraten politisch oder programmatisch eigentlich nichts verändert hat, wird ihr plötzlicher Aufstieg gerne mit dem "Schulz-Effekt" erklärt. Simpel gesagt, besteht dieser Effekt darin, dass Martin Schulz weder Sigmar Gabriel ist noch Angela Merkel.

Obwohl Gabriel ein mittlerer Egoist mit rechthaberischen Zügen ist, hat er der SPD als Vorsitzender seit 2009 überwiegend gedient und genutzt. Gedankt haben ihm das vor allem die haupt- und nebenamtlichen Funktionäre der Partei wenig. Ohnehin ist das im deutschen Nationalcharakter verankerte Nörglertum in der SPD gut organisiert. Auch unter den SPD-Sympathisanten waren nicht wenige, die Gabriel nicht mehr zutrauten als damals den Kandidaten Steinbrück und Steinmeier (Letzterer hat dank eines jahrelang bedächtig anschwellenden Steinmeier-Effekts eine Karriere vom höchst unerfolgreichen SPD-Kandidaten bis zum Konsensbundespräsidenten absolviert).

Schulz hat sich bisher in wichtigen Positionen nicht sehr von Gabriel und/oder Merkel unterschieden. Zwar hat er mal Euro-Bonds, also die Vergemeinschaftung der Schulden in der EU befürwortet, aber das wird er gerade im Wahlkampf nicht offensiv vertreten. In der Flüchtlingspolitik stand er an Seiten Merkels und der großen Koalition; als entschiedener Umverteiler ist er auch nicht aufgefallen.

Und dennoch: Weil er bisher "draußen" war, übertragen jetzt viele, das was sie für richtig halten, auf Schulz. Ob er es vertritt, ist egal. Jetzt ist er erst mal anders - und deswegen hat er Erfolg. Sollte sich im Laufe der nächsten Wochen erweisen, dass der Mensch Schulz zu sehr von der Projektion Schulz abweicht, wird sich der Schulz-Effekt abflachen.

Die Sozialdemokraten haben in Seehofer und seiner CSU Wahlhelfer gewonnen

Allerdings hilft dem Kandidaten, dass der Überdruss an Merkel ziemlich groß ist. Unter den neuen SPD-Freunden sind viele, die keine "linkere" SPD oder gar Rot-Rot-Grün wollen, sondern ein Ende von Merkels Kanzlerschaft. Wenn durch diese Bewegung ein möglicher Machtwechsel näher rückt, dann gewinnt dies den Charakter einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung: Je mehr Stimmen für die SPD unter dem Projektionskandidaten, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass Merkel tatsächlich abgelöst wird.

Außerdem hat Schulz einen weiteren wichtigen Wahlhelfer, nämlich die CSU. Ihr Parteichef hat mit einem lange Zeit sehr scharfen Anti-Merkel-Kurs Furchen gezogen, in die jetzt Samen für die SPD fallen. Nun versucht Seehofer, diesen Anti-Merkel-Kurs zu revidieren, was Teile seiner Partei nicht mitmachen. Die Union wirkt weiter zerstritten. Und das nützt nun der SPD und ihrem Homo novus.

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