Süddeutsche Zeitung

SPD im Europawahlkampf:Schulz steht neben sich

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Wie gut, dass es wenigstens Silvio Berlusconi gibt: Ohne die Steilvorlagen des ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten könnte Sozialdemokrat Martin Schulz im Wahlkampf nur über seine Karrierewünsche reden. Deren Erfüllung steht allerdings noch Angela Merkel im Weg.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Martin Schulz findet den Öffner nicht. Die Schiebetür zu dem nagelneuen Transporter einer französischen Automarke bleibt geschlossen. Bis ein eifriger Juso eingreift. Es macht klick. Und - wusch - rollt die Tür auf. Schulz will für die Sozialdemokraten in Europa der nächste Präsident der europäischen Kommission werden. Dann wäre er so etwas wie der Chef der kommenden EU-Regierung. Nicht ganz so mächtig wie die Kanzlerin. Aber nicht weit davon entfernt.

Darum geht es übrigens in diesem Wahlkampf, sagen die von der SPD. Schulz oder dieser - äh - Juncker von den Konservativen. Einen von beiden wird das EU-Parlament zum Kommissionspräsidenten wählen.

Jetzt aber steckt Schulz seinen Kopf erst mal in den Laderaum des Transporters. "Da liege ich ja schon", entfährt es ihm. Er greift nach sich selbst und stellt sich neben sich. Also neben das auf Pappe gedruckte Abbild seiner selbst. Sein Pappkamerad ist größer und schlanker als der echte Schulz, der breit grinsend daneben steht. Schulz hat sein Jackett ausgezogen. Der Wahlkampf-Wagen vor der SPD-Parteizentrale in Berlin muss beladen werden. Mit Jackett sähe das wohl doof aus.

Ein Mitarbeiter der SPD bringt ihm einen Stapel Wahlkampfzeitungen. Die Schulz dann behände in den Laderaum bugsiert. Alles für die Kameras. Es soll so aussehen, als würde er den Wagen selbst beladen. Was er natürlich nicht macht. Er holt noch einige Papptafeln mit seinem Namen drauf hervor und schaut sie sich an - auch für die Kameras.

Später soll es so aussehen, als würde er zusammen mit Wahlkampfmanager Matthias Machnig auf große Wahlkampftour gehen. Machnig setzt sich wie selbstverständlich ans Steuer. Er ist jener ehemalige thüringische Wirtschaftsminister, der zwei Gehälter kassierte und sich ansonsten für einen ziemlich großen Hecht hält.

Jetzt sitzen Schulz und Machnig nebeneinander auf Beifahrer- und Fahrersitz des Transporters und gucken in die Kameras und lächeln und gucken und lächeln gucken. Machnig dreht am Autoschlüssel, der Wagen röchelt kurz. Aber er springt nicht an. Beide steigen wieder aus.

Das ist der Auftakt in die zweite Phase dieses Europawahlkampfes. Die zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass Machnig 15.000 Großflächenplakate mit Schulz´ Konterfei aufstellen lässt, zehn Transporter vollgepackt mit Martin-Schulz-Wahlwerbung durch Deutschland touren und Schulz selbst häufiger auf Großkundgebungen im Freien zu sehen sein wird.

Schulz hat auch ein bisschen Glück, dass der italienische Sozialstrafarbeiter Silvio Berlusconi gerade mit deutschlandfeindlichen Parolen auf sich aufmerksam macht. "Mehr Italien. Weniger Deutschland", lautet eine seiner Parolen. Er findet auch: "Für die Deutschen haben Konzentrationslager nie existiert". Und zu Schulz sagte er: "Da gibt es einen Mann, genannt Schulz, der Berlusconi oder Italien nicht leiden kann. Die Linke zu wählen, bedeutet Schulz zu wählen."

Italien-Freund Schulz und Berlusconi sind Lieblingsfeinde seit Berlusconi dem Deutschen 2003 in einer Debatte im Straßburger EU-Parlament dies hier an den Kopf warf: "In Italien wird gerade ein Film über die Nazi-Konzentrationslager gedreht, ich schlage Sie für die Rolle des Lagerchefs vor!"

Monokausale Wahlkampfstrategie

Die Scharmützel mit dem Bunga-Bunga-Italiener haben Schulz in Europa bekannt gemacht. Und sie lenken davon ab, dass die monokausale Wahlkampfstrategie von Machnig (Schulz for President) inhaltlich etwas mager ist.

Schlimmer als Berlusconi zum Feind zu haben dürfte für Schulz sein, Angela Merkel als Gegnerin im Wahlkampf zu haben. Die CDU setzt im Wahlkampf voll auf die Kanzlerin. Nur sie wird bundesweit plakatiert. Dabei steht sie gar nicht zur Wahl.

Der wählenden Mehrheit wird das wohl egal sein. CDU und CSU liegen gut und gerne zehn Prozentpunkte vor der SPD. Gewählt wird das, auf dem Merkel drauf steht. Auch wenn gar keine Merkel drin ist. Dagegen kann auch Schulz wenig machen. Der hat sein Jackett jetzt wieder an und winkt den zehn abfahrenden Transportern nach. "Auf in den Kampf!", ruft er ihnen hinterher. Einer muss ja Zuversicht ausstrahlen.

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