SPD: Hoffnung Präsident:Bürger Gauck preist Vorbild Schröder

Der Kandidat präsentiert sich auf einem Dampfer vor Sozialdemokraten, lobt Altkanzler Schröder - und zeigt, welche Rolle er als Bundespräsident einnehmen würde. Die Genossen sind ehrfürchtig.

Th. Denkler, Berlin

Vielleicht ist es schwierig, von der Konsistenz des Spargels Rückschlüsse auf das wahre Leben zu ziehen. Aber dieser Spargel war nicht ganz durch. Bissfest, sagen die einen. Eher zäh, die anderen. Aber gegessen haben sie ihn alle. Und das beschreibt vielleicht das Verhältnis, das Präsidentschaftsbewerber Joachim Gauck zur SPD hat.

SPD-Präsidium - Gauck

Präsentiert sich in Zeiten großen Sparens als Bürgerpräsident: Joachim Gauck soll nach dem Willen von SPD und Grünen Horst Köhler in das Amt des Bundespräsidenten folgen.

(Foto: dpa)

Der Ostdeutsche vergnügt sich an diesem warmen Frühsommerabend mit dem konservativen Seeheimer Kreis der Partei auf dem Berliner Wannsee. Das Ereignis: die alljährliche Spargelfahrt der Genossen, die einst als "Kanalarbeiter" bekannt waren.

Dass einer wie Gauck hier eine kleine Eröffnungsansprache hält, ist nicht ganz alltäglich. Der 71-Jährige ist zwar der Kandidat um das Bundespräsidentenamt, den SPD und Grüne gemeinsam aufgestellt haben - aber er ist weder Mitglied der Seeheimer, die die "Rechten" in der SPD eint, noch der Partei. Gauck ist eher im bürgerlichen Lager verankert, was manche Genossen an Bord diebisch freut, weil einige Bürgerliche wohl lieber ihn als Bundespräsidenten haben möchten als den glatten Christian Wulff.

Gauck, der Anti-Wulff, macht vieles einfach besser.

Christian Wulff zum Beispiel nennt das Sparpaket der Bundesregierung sozial ausgewogen und benimmt sich, als wolle er das neue Maskottchen der schwarz-gelben Koalition sein.

Joachim Gauck dagegen sagt zum Sparpaket, dazu sage er gar nichts. Und bekommt von den Seeheimern Applaus dafür. Es ziemt sich eben nicht für einen Präsidentschaftskandidaten, die aktuelle Tagespolitik zu kommentieren.

Das hat sogar Lukrezia Jochimsen verstanden, die wenige Stunden vor Beginn der gestrigen Spargelfahrt als Präsidentschaftskandidatin der Linken nominiert wurde. Ihr geht es um Frieden und Gerechtigkeit und Vereinigung. Nicht um möglichst scharfe Sätze für oder gegen eine mehr oder minder gelungene Sparrunde welcher Regierung auch immer.

Gauck gelingt die Abgrenzung auf der Spargelfahrt bereits mit der ungewöhnlichen Anrede. "Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger", sagt er. Nicht einfach: "Meine sehr geehrten Damen und Herren", und schon gar nicht: "Liebe Genossinnen und Genossen!"

"Bürger", auf das Wort kommt es ihm an. Das ist, was er werden kann. Ein Bürgerpräsident.

Über Freiheit spricht Bürger Gauck, über den Wert von Freiheit, den er als "gebranntes Kind zweier Diktaturen" nicht hoch genug schätzen kann. Er meint eben nicht die "Freiheit eines Pubertierenden", der glaubt, alles tun zu können, was ihm gefällt. Sondern die Freiheit eines Erwachsenen: "Wenn wir unser Leben anlegen auf eine permanente Steigerung des Genusses, dann werden wir unser Lebensglück verlieren." Sagt Gauck.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, welcher verlorene Sohn der Sozialdemokraten auch mit an Bord war.

Lob für den verlorenen Sohn

An Bord der MS La Paloma sind rund 1000 Menschen. Wenn Joachim Gauck den Genossen solche Glückssätze sagt, ist alles still. Ganz hinten, unter Deck, sitzt einer, der selbst die Gesellschaft prägen wollte. Es ist Gerhard Schröder, der Kanzler der ersten rot-grünen Bundesregierung, der Erfinder der Agenda 2010, der Verantwortliche für den Niedergang der SPD, wie manche meinen.

SPD-Vorstandssitzung

Gauck mit SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier.

(Foto: dpa)

Als der Mann aus Hannover auf das Schiff kommt, ist es, als kehre der verlorene Sohn zurück. Die Seeheimer in der SPD waren nie sein Problem in der Kanzler-Zeit. Das waren eher die Parteilinken. Hier, auf dem Boot mit dem friedlichen Namen "Taube", wird er geherzt und umarmt. Schröder lässt sich fotografieren und schreibt Autogramme wie einer, der als verschollen galt und plötzlich wiederkehrt.

Lob für einen Mutigen

Joachim Gauck richtet ein paar Worte an ihn, die mit donnerndem Applaus honoriert werden. Dass er ihm eben die Hand gegeben habe, nein, er sagt geben "durfte", sagt Bürger Gauck. Schröder sei einer gewesen, der Entscheidungen gegen erhebliche Wiederstände seiner Partei durchgesetzt habe. Er sei "nicht immer dafür gelobt worden" - aber, und dann spricht er den Altkanzler direkt an, den er von seinem Platz aus gar nicht sehen kann: "Wichtig war, dass Sie diesen Mut an den Tag gelegt haben."

Solche Sätze wiederum sind es, die Joachim Gauck für die Linke "unwählbar" machen, wie Fraktionschef Gregor Gysi am Nachmittag im Reichstag erklärt. Wenn es dabei bleibt, wird Christan Wulff am 30. Juni Bundespräsident.

Für die harten Linken in der SPD sind Gaucks Sätze schwere Kost. Doch sie haben es leichter: Die schlimmsten Niederlagen der SPD scheinen vorbei. Die Partei beginnt, pragmatisch mit den Agenda-Reformen umzugehen. Schröders Gesetze werden jedenfalls nicht mehr um der eigenen so glorreichen Regierungsvergangenheit willen für sakrosankt erklärt.

Der Kandidat baut bei den Seeheimern vor, dass es am 30. Juni nicht reichen könne. "Es ist vermessen, sich auf Wunder einzustellen", sagt Joachim Gauck. "Dann geht's schief, gell." Sein Blick huscht zum SPD-Fraktionschef und Kanzlerkandidaten von 2009, Frank-Walter Steinmeier, hinüber, der zwei Schritte entfernt steht.

Steinmeier lächelt. Er wird wissen, wie das gemeint war.

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