SPD-Hoffnung Michael Naumann:Der Abenteurer

"Ich fühle mich wie ein Rennpferd am Start" - Michael Naumann über seine Wiederkehr in die Politik. Der Journalist (Spiegel , Münchner Merkur), der erster Kulturstaatsminister der Republik war und zuletzt als Zeit-Herausgeber wirkte, tritt als Spitzenkandidat der Hamburger SPD an - eine Herausforderung ganz nach seinem Geschmack.

Hans-Jürgen Jakobs

Am Dienstag noch sah es für Michael Naumann nicht so aus, als ob seine politische Karriere bald wieder aufflammen würde. Sicher, der erste Staatsminister für Kultur im Bundeskanzleramt, 1998 von Parteifreund Gerhard Schröder ins Amt gebracht, hatte schon seit längerem damit geliebäugelt, wieder in die Arena zu steigen.

SPD-Hoffnung Michael Naumann: Wird für die SPD als Spitzenkandidat in den Wahlkampf ziehen: Michael Naumann.

Wird für die SPD als Spitzenkandidat in den Wahlkampf ziehen: Michael Naumann.

(Foto: Foto: ddp)

Die Zeit bei der Zeit, dem politischen Wochenblatt in Hamburg, war irgendwie ausgereizt; neben Josef Joffe hatte er im November 2000 zunächst die Chefredaktion übernommen und war danach auf den Herausgeberposten gewechselt. Irgendetwas mit Außenpolitik stand Naumann im Sinn.

Doch dann nahm das Chaos in seinem sozialdemokratischen Kiez freien Lauf. Die Hamburger SPD brachte eine Mitgliederwahl ihres neuen Parteichefs nicht zustande, die zwei Kandidaten zogen zurück, auch Henning Voscherau wollte nicht mehr und es schien auf Michael Neumann hinaus zu laufen - ehe das "e" dann zum "a" wurde, also tatsächlich Michael Naumann, 65, zum neuen SPD-Spitzenkandidaten an der Elbe avancierte.

Der Parteistratege Olaf Scholz hatte ihn am Dienstagabend umworben; Naumann dachte nach, sprach am Mittwoch mit Parteichef Kurt Beck - und war am Ende elektrisiert. Am Mittwochmittag gab er die Zusage und wurde prompt für die Wahl in Hamburg nominiert. Das sei eine "schöne Herausforderung", sagt er zu sueddeutsche.de, er wolle in Hamburg im Wahlkampf 2008 auf die soziale Frage setzen - "die soziale Schere wächst und wächst". Er habe in seinem Leben schon mehrmals bewiesen, dass er ein gutes Team zusammenstellen könne.

Naumann hielt sich am Mittwoch in Berlin auf, um für den Rundfunk Berlin-Brandenburg seine Talkshow Im Palais (Thema: "Erfolgsmodell Frau! Und wie geht es weiter?") aufzuzeichnen. In Hamburg ging unterdessen bei seiner Zeit der Leitartikel eines Kollegen zum hanseatischen SPD-Desaster in Druck, der darlegte, offenbar gehe es bei dieser Partei mehr darum, die Bedürfnisse der Funktionäre zu befriedigen als die der Wähler. Aber das war vor der Causa Naumann.

Der neue Spitzenmann ist als Herausgeber der Zeit beurlaubt. Sein Vertrag war erst Mitte 2006 von Verleger Dieter von Holtzbrinck vorzeitig um zwei Jahre bis Ende 2008 verlängert worden. Nun also wird sich Naumann an einem Ort schlagen, in dem geachtete Sozialdemokraten wie Helmut Schmidt (auch er ein Herausgeber der Zeit) viele Erfolge gefeiert hatten. "Wir verlieren nicht", sagt er zur nächsten Wahl in der Hansestadt, "Hamburg ist im Kern eine sozialdemokratische Stadt". Zunächst wolle er mit den SPD-Politikern dort reden und von ihnen lernen.

Es ist offensichtlich, dass der Polit-Wiedergänger im Laufe seiner Karriere Abenteuer geliebt hat. Der einstige SHB/SDS-Studentenfunktionär promovierte 1969 über Karl Kraus (Der Abbau der verkehrten Welt), arbeitete als Journalist beim Münchner Merkur, der Zeit (mit Unterbrechungen), dem Monat und dem Spiegel, ehe ihn Holtzbrinck 1985 zum Geschäftsführer der Rowohlt-Verlage machte.

Zehn Jahre später ging Naumann für den Verleger in die USA - und kam als Mitglied des rot-grünen Bundeskabinetts zurück. Seine Eloquenz bewies der Bildungsbürger in der Debatte um das Holocaust-Mahnmal in Berlin.

Bei der Zeit hat er in Matineen gern Prominente befragt - in seiner unterhaltenden, stets leise spöttelnden Art. Über Eiferer kann er sich schnell selbst ereifern, zum Beispiel über jene Euphoriker der Bush-Ära, die am liebsten den ganzen Orient demokratisiert hätten. Realpolitik ist ihm lieber; das kann in Hamburg nur helfen.

"Ich fühle mich wie Rennpferd am Start", sagt er, "kurz bevor das Klingelzeichen ertönt".

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