Süddeutsche Zeitung

SPD:Hilfe, die Doppelspitze droht

Der Vorschlag der SPD-Frauen, in der Partei Doppelspitzen einzuführen, ist gut begründet. Parteichef Gabriel stimmt ihm ausdrücklich zu. Doch die Sache hat einen beachtlichen Haken.

Kommentar von Thorsten Denkler

Das haben sich die sozialdemokratischen Frauen gut ausgedacht. Ihr Antrag für Doppelspitzen auf allen Ebenen der SPD ist so gut begründet, dass auch Parteichef Sigmar Gabriel da nicht einfach nein sagen konnte. Im Gegenteil. Er befürwortet ausdrücklich den Vorschlag der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (ASF).

Anfang Dezember schon wird er wohl auf dem Bundesparteitag der SPD in Berlin zur Abstimmung gestellt. Es stimmt ja: In Ortsvereinen und Unterbezirken wird es immer schwieriger, Menschen zu finden, die den Job des Vorsitzenden übernehmen wollen - nicht allein jedenfalls. Der Beruf verlangt viel, Partner und Kinder auch. Und ein bisschen Sport sollte auch noch drin sein.

Der Antrag hat einen Haken

Die Woche ist also schon ziemlich voll. Und da noch ein Ehrenamt wie das des Parteichefs unterbringen; eines, das zudem gesellschaftlich kaum noch Bonuspunkte bringt? Das ist eine echte Herausforderung. Darum ist es sinnvoll, die Last der Arbeit zu teilen - zumindest auf Orts- oder Unterbezirksebene. Der Antrag hat aber einen Haken. Und der ist beachtlich. Wenn die SPD der Doppelspitze zustimmt, geht das nur auf allen Ebenen. Also auch bei den Landesverbänden und bei der Bundespartei.

Das muss nicht heißen, dass Gabriel von Dezember an einen Co-Vorsitzenden zur Seite gestellt bekommt (oder, im Sinne der ASF, eine Co-Vorsitzende). Auch wenn sich manche in der Partei einen Aufpasser für ihn herbeisehnen. Aber die Tür zu solchen Debatten wird dann weit geöffnet sein. Sie wird sich nicht so schnell wieder schließen lassen.

Doppelspitzen auf Landes- und Bundesebene sind alles andere als Erfolgsgeschichten. Linke und Grüne teilen die Macht an ihren Partei- und Fraktionsspitzen. Bestenfalls ist es bei ihnen still um die beiden Chefs. Meistens aber üben sie sich in Fingerhakeleien um die besten Plätze in Talkshows. Und treiben den jeweils anderen mit Interviews vor sich her, in denen sie das Gegenteil dessen verkünden, was der oder die andere am Tag zuvor in die Welt geblasen hat.

Missbrauch durch Machtspielchen

Auch Grüne und Linke wollen in Wahrheit klare Bezugspersonen an der Spitze. Darum war Joschka Fischer immer wichtiger als all die grünen Parteivorsitzenden. Darum konnte sich die Linke bis zum Schluss nicht richtig von Gregor Gysi trennen. Wer die SPD kennt, der weiß, dass diese Erfahrungen einige Tonangeber nicht davon abhalten werden, die Möglichkeit der Doppelspitze für Machtspielchen zu missbrauchen. Und falls das jemand erhoffen würde: Eine Doppelspitze würde auch nicht dazu führen, dass Hannelore Kraft, stellvertretende Parteivorsitzende und Kanzlerkandidatin der Herzen, sich erweichen lassen würde, zumindest halb nach Berlin zu gehen.

Was gut ist an der Basis, das kann an der Spitze völlig schief gehen. Ob Gabriel das bedacht hat, als er, mal wieder unabgesprochen, dem ASF-Vorschlag seine Unterstützung zusagte? Wer weiß. Zu vermuten ist: eher nicht.

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