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Rot-Rot-Grün:Als ob Franz Müntefering einen Yogakurs am Ballermann leitet

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Der SPD müsste klar sein, dass aus Rot-Rot-Grün auf lange Zeit nichts wird. Trotzdem fängt sie eine Debatte darüber an - eine Art Verzweiflungstat.

Kommentar von Detlef Esslinger

Zwei Repräsentanten der SPD bringen ein "rot-rot-grünes" Bündnis ins Spiel; das ist nötig, rührend und etwas albern zugleich. Malu Dreyer, die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin und derzeitige ⅓-Vorsitzende der Partei, sagt, sollte es nach einer Wahl eine Mehrheit links von der Union geben, "müssen wir das Gemeinsame suchen und das Trennende analysieren". Lars Klingbeil, der vielleicht für den halben oder den ganzen Vorsitz antretende Generalsekretär, erklärt, es stünden sicher Debatten über Mehrheiten jenseits der Groko an. "Dazu gehört auch Rot-Rot-Grün."

Nötig sind die Äußerungen, weil die SPD auch deshalb weiter abstürzt, weil sie schon so abgestürzt ist. Zwischen knapp zwölf und knapp 15 Prozent wird sie nun gehandelt. Sämtliche bisherigen Machtoptionen sind ihr allein schon arithmetisch ausgegangen - und Parteien, die in Debatten über mögliche Koalitionen gar nicht erst vorkommen, verschwinden tendenziell auch aus den Erwägungen der Wähler (außer Protestparteien). Die SPD ist also darauf angewiesen, an Koalitionsdebatten irgendwie teilzuhaben, will sie nicht bald im einstelligen Bereich landen.

Rührend an dem Gedankenspiel ist, dass die erwogene Koalition bei ihr weiterhin "Rot-Rot-Grün" genannt wird - wo doch jeder zusammenzählen kann, dass sie, wenn überhaupt, nur als Grün-Rot-Rot zustande käme. Nach der nächsten Wahl dürfte die SPD kaum der stärkste welcher Partner auch immer sein; und folglich auch nicht derjenige, der zu Koalitionsverhandlungen einlüde. Sie muss hoffen, eingeladen zu werden.

Und dies von den Grünen, zusammen mit der Linken? In Bremen nimmt nächste Woche ein tatsächlich noch von der SPD geführter Senat mit Grünen und Linken die Arbeit auf. Aber Bremen ist ein linkes Biotop, und aus einem Scheitern des Bündnisses ("Selbst dort"!) ließe sich mehr ableiten als aus einem Gelingen ("Ist halt Bremen"). Doch müssten die Grünen verrückt sein, würden sie nun Spekulationen über ein Linksbündnis in Berlin nähren. Ihr Boom beruht ja darauf, dass sie beim Menschheitsthema Klimaschutz Vertrauen erhalten - und dass sie es keinesfalls als Lagerthema führen. Würden sie den Anschein erwecken, das Klima sei nur ihr Vehikel, um eine linke Republik zu etablieren: Sie würden schneller abstürzen, als sie emporgekommen sind.

Ganz abgesehen davon, dass es eh nicht passt: In der Außenpolitik denkt der Grünen-Vorsitzende über einen Militäreinsatz am Golf nach, während eine Vizechefin der Linksfraktion im Bundestag zu Maduro nach Venezuela reist. Hinzu kommt noch der kommissarische und nun bleiben wollende Fraktionschef der SPD, der den Einsatz gegen den IS beenden will: Da ist das Trennende schnell analysiert. Die Sache ist so, als sollte Franz Müntefering einen Yogakurs leiten, am Ballermann.

Doch das Problem der SPD ist ohnehin nicht Arithmetik; es ist umgekehrt: Diese ist nur der Ausdruck all ihrer Probleme. Die Partei ist nicht mit sich im Reinen, sie will lieber über die Groko jammern, statt über ihre Erfolge dort zu erzählen; ihr brandenburgischer Ministerpräsident Dietmar Woidke hat es soeben beklagt. Deshalb findet sich ja auch niemand von Rang, der oder die sich den Parteivorsitz antun mag. Und in dieser Lage über "Rot-Rot-Grün", also übers Kanzleramt, nachdenken? Wie gesagt: etwas albern.

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SZ vom 10.08.2019
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