Ampelkoalition:Wie es bei SPD, Grünen und FDP weitergeht

Sondierungsgespräche: Leere Bühne vor einer Pressekonferenz mit SPD, FDP und den Grünen

Auch die Mikrofone an den Tagungsorten warteten während der Sondierungsgespräche umsonst auf inhaltlich relevante Aussagen von den Vertretern von SPD, Grünen und FDP.

(Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Erst haben sie vorsondiert, dann richtig sondiert und bald könnte es Koalitionsverhandlungen geben. So sieht der Weg zur Regierungsbildung aus.

Von Philipp Saul

Während SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz für einen Kurztrip nach Washington geflogen ist, haben die Sondierer in Berlin am Mittwoch und Donnerstag dieser Woche nur im kleinen Kreis über eine künftige Regierungskoalition gesprochen. Die Generalsekretäre von SPD und FDP sowie der Bundesgeschäftsführer der Grünen wollen das bisher Verhandelte zu Papier bringen. Wie geht es nun weiter?

Zwischenfazit

An diesem Freitag soll die große Runde morgens wieder zusammenkommen: sechs Verhandler von der SPD, darunter auch Scholz, je zehn von Grünen und FDP. Die "Stunde der Wahrheit" stehe bevor, heißt es. Die Generalsekretäre legen ihren Plan vor und die Unterhändler beraten, ob das Papier Grundlage für Koalitionsverhandlungen sein kann. Ob es bei der Bilanz um konkrete inhaltliche Beschlüsse geht oder eher um allgemeine Leitlinien, haben die in der Öffentlichkeit eher schweigsam auftretenden Sondierer bislang nicht verraten. Ein Zeitplan, wann das Ergebnis der Sondierungen am Freitag verkündet wird, ist auch noch nicht bekannt. Eine Nachtsitzung soll es aber nicht geben.

Parteigremien

Sollten sich die Sondierungsgruppen auf Koalitionsverhandlungen einigen, wollen die Unterhändler ihren jeweiligen Parteigremien die Bilanz vorlegen und eine Empfehlung für das weitere Vorgehen aussprechen. Bei den Grünen soll wahrscheinlich am Sonntag ein Länderrat entscheiden, am Montag kommen der SPD-Parteivorstand und der FDP-Bundesvorstand zu ihren regulären Sitzungen zusammen. Es kann aber auch sein, dass die Gremien ihre Treffen vorziehen und schon am Wochenende ihr Einverständnis zu Koalitionsverhandlungen geben.

Hauptsache, nicht so lange wie vor vier Jahren

Nach der Bundestagswahl am 24. September 2017 dauerte es fünfeinhalb Monate, bis die neue Regierung vereidigt wurde. Weil die SPD nicht wieder in eine große Koalition mit der Union eintreten wollte, fingen CDU, CSU, FDP und Grüne im Oktober an, über ein Jamaika-Bündnis zu sprechen. Sie sondierten so lange, bis Christian Lindner, schon damals FDP-Chef, im November nach vier Wochen vor die Presse trat und die Gespräche mit seinem berühmt-berüchtigten Satz für gescheitert erklärte: "Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren."

Scheitern der Jamaika-Sondierungen

"Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren" - Christian Lindner erklärt die Jamaika-Sondierungen am 19.11.2017 für gescheitert.

(Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)

In der Folge standen sogar Neuwahlen im Raum und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier redete auf die Parteispitzen ein. Nach langen internen Auseinandersetzungen entschied sich die SPD doch noch, Koalitionsverhandlungen mit der Union aufzunehmen. Und wenigstens dort ging es schnell: Weniger als zwei Wochen verhandelten die Parteien, dann stand der Koalitionsvertrag bereits Anfang Februar. Weil aber auch noch ein CDU-Parteitag und die SPD-Mitglieder abstimmten, dauerte es bis zum 14. März 2018, bis das neue Kabinett vereidigt wurde.

Koalitionsverhandlungen

Diesmal soll es schneller gehen. Bis Weihnachten soll eine Regierung stehen. Wie lange sich die Verhandlungen hinziehen, ist nicht klar, aber alle Beteiligten wollen endlos lange Gespräche vermeiden. Schon die (Vor-) Sondierungen für eine Ampelkoalition waren deutlich kürzer als für Jamaika 2017. Dass die tatsächlichen Koalitionsverhandlungen aber wie im Winter 2018 keine zwei Wochen dauern, gilt als sehr unwahrscheinlich. Damals kannten sich die Großkoalitionäre bereits aus gemeinsamen Regierungsjahren, diesmal wollen SPD, Grüne und FDP eine Koalition bilden, die es so auf Bundesebene noch nie gegeben hat.

Für die Verhandlungen werden die Parteien wohl Arbeitsgruppen zu verschiedenen Themengebieten zusammenstellen. Inhaltlich liegen sie in einigen Punkten weit auseinander, besonders in der Steuer- und Finanzpolitik könnte es schwierig werden. Für die FDP sind Steuererhöhungen selbst für Besserverdiener ein rotes Tuch, nach Ansicht von SPD und Grünen braucht es die Einnahmen, um etwa in den Klimaschutz zu investieren.

Die Parteien entscheiden

Wenn ein Koalitionsvertrag ausgearbeitet ist, müssen die Parteien noch zustimmen. Bei den Grünen soll es auf jeden Fall eine Mitgliederbefragung geben. Auch bei der SPD könnte es dazu kommen, die Partei debattiert noch darüber. Bei der FDP, die für eine Koalition inhaltlich wohl den weitesten Weg gehen müsste, gibt es wahrscheinlich einen Bundesparteitag.

Bundespräsident und Bundestag

Sind sich die drei Parteien einig, schlägt Bundespräsident Steinmeier einen Kandidaten, aller Voraussicht nach Olaf Scholz, als Kanzler vor und der Bundestag stimmt darüber geheim und ohne vorherige Aussprache ab. SPD, Grüne und FDP haben im Bundestag zusammen 416 von 735 Sitzen. Die nötige absolute Mehrheit liegt bei 368 Sitzen. Nach der Wahl ernennt der Bundespräsident den neuen Kanzler. Dieser wird vor dem Bundestag vereidigt und schlägt normalerweise sehr zeitnah sein Kabinett vor.

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