Russland-Politik:Schiedsgericht: Schröder darf in der SPD bleiben

Altkanzler Gerhard Schröder

Gerhard Schröder (SPD) war von 1998 bis 2005 Bundeskanzler. Das Bild zeigt ihn bei einer Anhörung im Wirtschaftsausschuss des Bundestags zum Pipeline-Projekt Nord Stream 2 vor zwei Jahren.

(Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Wegen seiner umstrittenen Nähe zum russischen Präsidenten wurden 17 Anträge eingereicht, den Altkanzler aus der Partei auszuschließen. Nun hat sie die erste Instanz abgelehnt: Er stehe nicht so weit außerhalb der Grundsätze der SPD, dass diese das "nicht mehr ertragen müsste".

Von Kassian Stroh, München

Altkanzler Gerhard Schröder darf weiter in der SPD bleiben. Die Schiedskommission des SPD-Unterbezirks Region Hannover lehnte alle Anträge auf einen Parteiausschluss ab, wie die Partei am Montag mitteilte. Er habe sich "eines Verstoßes gegen die Parteiordnung nicht schuldig gemacht". 17 regionale Parteivereine hatten ein Ordnungsverfahren gegen Schröder eingeleitet. Er steht wegen seiner Nähe zu Präsident Wladimir Putin und zur russischen Öl- und Gaswirtschaft in der Kritik. Nach der Invasion in die Ukraine im Februar hat er sich nach Auffassung vieler SPD-Genossen nicht ausreichend von Russland distanziert. Der Beschluss der Schiedskommission kann noch angefochten werden.

Schröders persönliche Freundschaft zu Putin verstoße nicht gegen die Satzung der SPD, argumentiert die Kommission. Diese sei Privatsache - und es sei darüber hinaus nicht erkennbar, dass Schröder den Präsidenten zum Krieg antreibe. "Für einen Sozialdemokraten wäre es sicher wünschenswert und angebracht", sich vom Krieg deutlicher zu distanzieren und ihn nicht nur für einen Fehler zu halten, wie es Schröder tue, heißt es in der Begründung weiter. Aber er stehe "mit seinen Äußerungen nicht so weit außerhalb der Programmatik und der Grundsätze der SPD, dass die Partei diese nicht mehr ertragen müsste". Schröder habe weder einen Angriffskrieg gefordert noch den Überfall auf die Ukraine gerechtfertigt.

Und schließlich sei auch der Einsatz des Altkanzlers für russische Konzerne und ihre Gas- und Ölexporte nach Deutschland nicht parteischädigend. Wäre schon die Möglichkeit, "hiermit ökonomischen und politischen Druck auf Deutschland auszuüben, ein Verstoß gegen die Grundsätze der Solidarität, so müsste dies in gleicher Weise für die sozialdemokratischen Mitglieder der Bundesregierung gelten". Denn sie müssten letztlich Gasimporte aus Russland verantworten. SPD-Chef Lars Klingbeil sprach von einer juristischen Entscheidung der Schiedskommission. "Politisch ist Gerhard Schröder mit seinen Positionen in der SPD isoliert."

Schon als Kanzler hatte Schröder Nähe zu Russland gesucht - auch persönlich zu dessen Präsidenten und zeitweiligen Ministerpräsidenten Putin. Nach seiner Amtszeit wurde er für verschiedene russische Energiekonzerne aktiv. So sitzt er den Aufsichtsgremien der Pipeline-Betreiberfirmen Nord Stream AG und Nord Stream 2 AG vor. Im Mai 2022 teilte er mit, nicht länger Aufsichtsratschef des Ölkonzerns Rosneft bleiben zu wollen und einen ihm angebotenen Posten im Aufsichtsrat von Gazprom nicht anzunehmen.

Erst vor zwei Wochen traf Schröder Putin in Moskau

Diese Engagements stießen in Deutschland, auch in der SPD, immer wieder auf Kritik. Sie wurde deutlich lauter, als der Altkanzler kurz vor dem russischen Überfall auf die Ukraine deren Regierung "Säbelrasseln" vorwarf und sich nach Ansicht vieler nicht ausreichend von Putins Angriffskrieg distanzierte. Die Parteispitze legte ihm nahe, aus der SPD auszutreten, zugleich beantragten diverse Untergliederungen ein Ordnungsverfahren gegen Schröder. Dieser weilte zuletzt vor zwei Wochen in Moskau, wo er auch Putin traf. Anschließend sagte er in einem Interview: "Die gute Nachricht heißt: Der Kreml will eine Verhandlungslösung." Womöglich könne man einen Waffenstillstand verhandeln. Der Krieg gegen die Ukraine sei ein Fehler der Regierung in Moskau, sagte Schröder. Aber es gebe "in Russland wirkliche Einkreisungsängste, die aus der Geschichte gespeist sind. Und die haben ja leider auch ihre Berechtigung."

Über die 17 Anträge hatte die dreiköpfige Schiedskommission in Hannover Mitte Juli verhandelt. Nicht-Parteimitglieder waren dazu nicht zugelassen. Schröder selbst erschien nicht zu dem Termin und schickte auch keinen Anwalt. Am Ende eines Ordnungsverfahrens können grundsätzlich verschiedene Schritte stehen: von einer Rüge über das Ruhen der Mitgliedsrechte für eine bestimmte Zeit bis hin zu einem Parteiausschluss. Letzteres aber nur, "wenn das Mitglied vorsätzlich gegen die Statuten oder erheblich gegen die Grundsätze oder die Ordnung der Partei verstoßen hat und dadurch schwerer Schaden für die Partei entstanden ist", wie es im SPD-Organisationsstatut heißt. Für diesen Schritt hatten nach Angaben der SPD Hannover alle 17 Antragsteller vor der Schiedskommission plädiert.

Gegen ihre Entscheidung kann nun binnen zwei Wochen Berufung eingelegt werden - dann muss darüber die nächsthöhere Instanz entscheiden, die Schiedskommission des SPD-Bezirks Hannover. Womöglich geht der Fall auch noch bis vor die Bundesschiedskommission.

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