SPD:Gefährliche Versuchung

Die SPD sollte nicht auf einen Bruch der schwarz-gelben Koalition hoffen. Denn was die Sozialdemokraten vor allem fürchten müssen, sind Neuwahlen.

Susanne Höll

Eine der wenigen Freuden eines Oppositionspolitikers besteht darin, sich jederzeit über die Regierung mokieren zu können, besonders dann, wenn es um diese schlecht bestellt ist. Die Feststellung des SPD-Fraktionsvorsitzenden Frank-Walter Steinmeier, dass Schwarze und Gelbe seit 120 Tagen ein unvorstellbares politisches Spektakel abgegeben, ist deshalb verständlich. Mehr noch - diese Feststellung ist richtig. Unverständlich ist dagegen Steinmeiers indirekte Ermunterung an die Bundeskanzlerin und ihren Vize zum Bruch des christlich-liberalen Bündnisses. Denn es gibt zwei Dinge, welche die Sozialdemokraten stärker fürchten müssen als gut dreieinhalb weitere Jahre in der Opposition: Eine neue große Koalition und, schlimmer noch, Neuwahlen.

Anders als mancher Christdemokrat phantasiert in diesen schwierigen Regierungszeiten kein Sozialdemokrat über eine neuerliche Zusammenarbeit mit CDU und CSU. Die Genossen wissen nur zu gut, dass die SPD in einer derartigen Koalition vollends erstickt und ihren Charakter als Volkspartei vielleicht für immer verlieren würde. Die SPD ist immer noch staatstragend, ansonsten hätte sie dem neuen Afghanistan-Mandat für die Bundeswehr nicht zugestimmt und würde nicht bei einer Grundgesetzänderung zugunsten der Job-Center mitwirken. Doch zum Wohl des Landes möchte sie sich trotzdem nicht entleiben - auch wenn selbst ein Teil der einstigen scharfen Kritiker der großen Koalition im Rückblick bescheinigt, dass sie eben jenem Wohl durchaus gedient hat.

Eine vorgezogene Bundestagswahl würde ausweislich der Meinungsumfragen und aller internen Analysen die trübe Lage der SPD nicht verbessern. Vielleicht könnte sie ihre katastrophalen 23 Prozent vom vergangenen Herbst etwas übertreffen, vielleicht aber auch nicht. Dass sie über die für eine Volkspartei entscheidenden 30 Prozent der Wählerstimmen hinauskäme, gar den Kanzler stellen könnte, ist kaum zu erwarten.

Die Enttäuschung von Millionen einstiger Wähler über die Reformpolitik der Ära Schröder sitzt zu tief. Das Vertrauen, das die Sozialdemokraten in elf Jahren Regierungsverantwortung verloren haben, können sie in wenigen Monaten nicht zurückgewinnen, selbst wenn Schwarze und Gelbe noch heftiger stritten. Baldige Neuwahlen würden nicht die Roten, wohl aber die Grünen stärken und dem Wunsch-Koalitionspartner der SPD womöglich neue Machtperspektiven im Bund geben. Auch das kann nicht das Interesse der SPD sein.

Bevor die Sozialdemokraten überhaupt an Neuwahlen denken können, müssen sie sich selbst über ihren heute nur vage erkennbaren Kurs für die Zukunft klar werden. Und sie müssen abwarten, wie sich die Linkspartei unter deren neuer Führung entwickelt, ob sie als Koalitionspartner irgendwann einmal im Bund mitregieren kann und mag. Rot-Rot-Grün ist für die SPD auf mittlere Sicht die einzige Chance. Denn die Westerwelle-FDP fällt als Partner aus.

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