SPD:Gabriel: Ein Elefant im Auswärtigen Amt?

Sigmar Gabriel kann leidenschaftlich sein, direkt und auch ruppig. Nun soll er Außenminister werden. Das kann noch heiter werden.

Von Stefan Braun, Berlin

Am Dienstagabend ist über die erste große Nachricht die zweite fast verschüttgegangen. Durch die Wucht der Überraschung, dass Sigmar Gabriel nicht Kanzlerkandidat der SPD werden wolle, rückte in den Hintergrund, dass er in Zukunft gerne Außenminister sein möchte. Gut möglich, dass er schon am kommenden Freitag im Parlament vereidigt wird. Grund genug, darüber nachzudenken, welche Kulturen da künftig aufeinanderstoßen werden.

Dem 57-jährigen Gabriel nämlich kann man ziemlich viel nachsagen. Er kann leidenschaftlich sein, er kann deutlich sein, er kann ruppig und er kann auch mal herzlich. Nur eines würde ihm kaum jemand zuschreiben: dass er über eine längere Zeit besonders diplomatisch gewesen wäre. Berühmt geworden ist er durch Auftritte, in denen er sehr gerade heraus offenlegt, wie er denkt, was er fühlt, was ihn ankotzt.

Das gilt für Momente, in denen er sich angegriffen fühlt und nichts mehr gefallen lassen möchte. Unvergessen ist sein Streit mit der ZDF-Moderatorin Marietta Slomka in der Zeit der Mitgliederbefragung zum Koalitionsvertrag. Slomka hinterfragte diese so lange, bis Gabriel ihre Fragen mit einem "das ist Quatsch" beendete. In der SPD fanden das viele klasse; in der Diplomatenausbildung würde es höchstens als Beispiel dafür abgespeichert werden, wie man es nicht macht.

Rechte Demonstranten als "Pack" bezeichnet

Gabriels Eigenschaften zeigen sich freilich auch bei Auftritten, in denen die Kunst der Tonlage politische Bedeutung bekommt. Wenn also ein Vizekanzler rechte Demonstranten als "Pack" bezeichnet oder den ägyptischen Autokraten Abdel Fattah al-Sisi als "beeindruckenden Präsidenten". Oder wenn ein Wirtschaftsminister im Umgang mit dem russischen Präsidenten seine liebe Mühe hat, zwischen Nähe und Distanz zu Wladimir Putin zu entscheiden - obwohl der in Syrien gerade ziemlich brutal Krieg führt. Gabriels Welt ist bisher nicht eben oft eine der Diplomatie gewesen. Das kann sehr anstrengend, aber für alle auch noch sehr lustig werden.

Einen Hinweis darauf liefert eine Sammlung des diplomatischen Grundwortschatzes, die alle, die länger mit einem Außenminister unterwegs waren, kennen. Jede Situation ist anders, jede Lage neu und jede persönliche Begegnung hat ihre eigene Dynamik. Trotzdem gibt es für alle diplomatischen Begegnungen eines Diplomaten Sätze, Floskeln, Rettungsanker, die üblich sind, um wohltemperiert zu bleiben. Einige erfahrene Alt-Botschafter haben derlei mal zusammengetragen. Die SZ zitiert daraus aus gegebenem Anlass. Schon ein kleiner Auszug zeigt, welche Herausforderung auf Gabriel zukommt.

Sind die Beziehungen bestens und das Gespräch ist ausgezeichnet gewesen, dann heißt es bei einem Außenminister gerne: "Wir hatten ein langes, freundliches und harmonisches Gespräch mit einem hohen Maß an Übereinstimmung zu allen wichtigen Fragen, das die tiefe Freundschaft zwischen unseren Ländern widerspiegelt."

Sind die Beziehungen zwar gut, aber die beiden Minister können nichts miteinander anfangen, trübt sich die Sache vorsichtig ein. Dann heißt es kurz und knapp und das häufig: "Es gab ein hohes Maß an Übereinstimmung über die von beiden Seiten geteilten Interessen und Wertvorstellungen."

Ob Gabriel das schafft?

Sind die Beziehungen immer noch gut, aber es hat intern offenen Streit gegeben, wird die Sache heikel. Dann kommt der Satz: "Wir beide wissen und schätzen, wie gut unsere Beziehungen sind, und das seit vielen Jahren. Das gibt uns auch die Möglichkeit, schwierige Fragen, bei denen wir nicht immer einer Meinung sind, offen und konstruktiv zur Sprache zu bringen."

Und wenn die Beziehungen schlecht sind und das Gespräch miserabel war? Dann war es "ein offenes und direktes Gespräch zu allen schwierigen Fragen", vielleicht ergänzt durch einen "nötigen Austausch mit einem nicht immer einfachen Partner" und am Ende noch aufgepeppt durch "den Wunsch, den bilateralen Austausch zukünftig zu vertiefen".

Ob Gabriel das schafft? Ob die Damen und Herren im AA das aus ihm machen werden? Ob also das Amt ihn formen wird oder doch er das Amt? Niemand wagt das zu sagen. In diplomatischer Form schweigen dazu bislang auch die allermeisten Berliner Diplomaten.

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