Süddeutsche Zeitung

SPD für Koalitionsverhandlungen mit Union:Gabriel will Regierungsbildung vor Weihnachten

Das Taktieren und Sondieren hat ein Ende, jetzt geht es zur Sache. Trotz aller Bedenken hat die SPD Koalitionsverhandlungen mit der Union zugestimmt. Es dürfte aber eine zähe Angelegenheit werden. Die SPD tritt mit einem umfangreichen Forderungskatalog an.

Vier Wochen nach der Bundestagswahl ist der Weg für Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD frei. Ein kleiner Parteitag der SPD stimmte mit großer Mehrheit dafür, verknüpfte das Votum aber mit zehn Kernforderungen. Dazu zählen ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro und die doppelte Staatsbürgerschaft. Auf Steuererhöhungen will die SPD dagegen nicht mehr bestehen.

Am Mittwoch sollen die Verhandlungen beginnen, ihre Dauer ist ungewiss. Am Ende will die SPD ihre 470.000 Mitglieder über die Ergebnisse abstimmen lassen. Parteichef Sigmar Gabriel sagte, Ziel sei eine Regierungsbildung vor Weihnachten. Es gelte aber das Prinzip "Gründlichkeit vor Schnelligkeit". Ein Abschluss der Verhandlungen vor dem SPD-Parteitag Mitte November sei nicht zwingend. "Wir freuen uns auf die Diskussionen und Debatten mit der Union."

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) lobte nach Informationen der Süddeutschen Zeitung, die SPD habe jetzt "die Phase überwunden, in der man sie zum Jagen tragen muss". Der CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer sagte bereits am Samstag in Regensburg: "Das Vertrauen auf beiden Seiten ist vorhanden."

Massive Vorbehalte an der SPD-Basis

Union und SPD hatten in drei Sondierungsgesprächen Schnittmengen für ein Regierungsbündnis ausgelotet. Der CDU-Vorstand stimmte bereits am Freitag Koalitionsverhandlungen zu. Beim SPD-Konvent waren von den 229 Stimmberechtigten 31 gegen Koalitionsverhandlungen, zwei enthielten sich. Damit lag die Zustimmung bei 86 Prozent.

Gabriel sagte zwar, dass die Verhandlungen auch scheitern könnten. Er fügte aber hinzu: "Wenn man sich entscheidet, Koalitionsverhandlungen aufzunehmen, dann setzt man sich auch zum Ziel, sie nach Möglichkeit zu einem erfolgreichen Ende zu führen." Außerdem forderte der SPD-Parteichef ein Bündnis auf Augenhöhe: "Am Ende gibt es in einer Koalition nicht Große und Kleine und einen Senior- und einen Juniorpartner, sondern man muss zu einer fairen Partnerschaft im Sinne der Menschen in Deutschland kommen."

An der SPD-Basis gibt es massive Vorbehalte gegen eine große Koalition. Mit ihrem Forderungskatalog wollte die Parteispitze dem Konvent ein Bündnis mit der Union schmackhaft machen. Die SPD-Führung warb vor den Delegierten geschlossen für die Aufnahme von Verhandlungen - darunter auch die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, die einer großen Koalition lange Zeit skeptisch gegenüber stand.

Mietpreisbremse und Finanztransaktionssteuer

Der zentrale Punkt in dem Forderungskatalog ist der gesetzliche Mindestlohn. Gabriel machte klar, dass er diesen Punkt für unverzichtbar hält. Die Forderung nach einer Erhöhung des Spitzensteuersatzes auf 49 Prozent aus ihrem Wahlprogramm erhebt die SPD dagegen nicht mehr. Beim linken Flügel sorgte dies für Ärger. Immerhin wurde bei dem Konvent nachträglich noch die Forderung aufgenommen, Projekte der großen Koalition nicht über Kürzungen im Sozialbereich zu finanzieren.

Auch die von CDU und CSU abgelehnte völlige Gleichstellung homosexueller Paare, etwa bei der Adoption von Kindern, fehlt. Hier hatten sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer nicht kompromissbereit gezeigt. Ferner wird weiterhin keine Abschaffung des von Union und FDP eingeführten Betreuungsgeldes verlangt.

Dafür pocht die SPD aber auf Einführung einer Mietpreisbremse und den Einstieg in die Angleichung der Renten in Ost und West. Zudem verlangt die Partei eine Finanztransaktionssteuer, eine stärkere Bekämpfung von Steuerbetrug, mehr Geld für Kommunen sowie eine auskömmliche Rente für langjährige Beitragszahler.

Viele Forderungen lassen Raum für Kompromisse

Ebenfalls Teil des Katalogs ist eine von Kanzlerin Merkel bereits in Aussicht gestellte Anhebung der Beiträge zur Pflegeversicherung, um die Pflege alter Menschen zu verbessern. Zudem wird die doppelte Staatsbürgerschaft gefordert. Viele SPD-Forderungen bleiben allerdings vage und lassen Spielraum für Kompromisse.

Mehrere SPD-Vorstandsmitglieder hoben den Mindestlohn als zentrale Bedingung hervor. "Für uns ist das nicht verhandelbar, so wie für die CDU anscheinend Steuererhöhungen nicht verhandelbar sind", sagte der saarländische Landesvorsitzende Heiko Maas. Auch Fraktionsvize Hubertus Heil nannte den Mindestlohn ein "ganz zentrales Thema".

Die Union begrüßt die Entscheidung des SPD-Konvents

Die CDU begrüßte das Votum des SPD-Konvents. "Ich bin sicher, wir werden faire Kompromisse erarbeiten", sagte Generalsekretär Hermann Gröhe. Maßstab für ein gemeinsames Regierungsprogramm müssten die Stärkung der Wirtschaftskraft des Landes und die Sicherung guter Beschäftigungschancen sein. Die stellvertretende CDU-Vorsitzende Julia Klöckner betonte: "Ich bin mir sicher, es werden harte, aber faire Verhandlungen."

CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder sagte in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin" zum Thema Mindestlohn: "Am Start von Koalitionsverhandlungen kann man nicht sagen, was man herausbekommt." Es werde aber gelingen, hier zu einer Einigung mit der SPD zu kommen. Die Ausgangslage für eine große Koalition sei gut. Seitens der Union wurde auch die Absage an Steuererhöhungen untermauert: "Keine Steuererhöhungen, das steht für uns ganz oben", sagte CDU-Vize Thomas Strobl der Stuttgarter Zeitung.

Die Union hatte die Bundestagswahl vor vier Wochen mit 41,5 Prozent gewonnen - ihr fehlen fünf Mandate zur absoluten Mehrheit. Die SPD landete bei 25,7 Prozent. Nach der Absage der Grünen kommen für die Konservativen nur die Sozialdemokraten als Koalitionspartner der Union infrage.

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