SPD-Fraktionschef:Gabriels Prätorianer

SPD-Präsidium tagt in Mainz

Thomas Oppermann, hier bei der Präsidiumssitzung seiner Partei Anfang des Jahres in Mainz.

(Foto: Fredrik Von Erichsen/dpa)

Thomas Oppermann wollte Innenminister werden, stattdessen musste er die Fraktion führen. Nun hat er seine Rolle gefunden: Er gibt die Leibgarde des Parteichefs.

Von Christoph Hickmann, Berlin

Es ging um das Thema Fracking, als es in der Sitzung der SPD-Bundestagsfraktion etwas turbulenter wurde. Am frühen Dienstagabend hatten mehrere Abgeordnete hinter verschlossenen Türen ihre Sorge zum Ausdruck gebracht, bei diesem Thema von Grünen und Linken vorgeführt zu werden und im Wahlkreis Ärger zu bekommen. Da griff Thomas Oppermann in die Debatte ein - aber nicht etwa mäßigend. Stattdessen warf der Fraktionschef den Abgeordneten "Hasenfüßigkeit" vor. Empörung in den Reihen der Parlamentarier, Oppermann drohte die Sitzung zu entgleiten. Es war ein Auftritt, wie man ihn von Oppermann eher nicht kennt. Ein Auftritt nach der Art von Sigmar Gabriel.

Thomas Oppermann, 62, wollte nie Fraktionschef werden. Innenminister, das war sein Traum, bevor sich die SPD nach der Bundestagswahl 2013 in die große Koalition rettete und die Ressorts verteilt wurden. Doch Parteichef Sigmar Gabriel machte intern klar, dass er an der Spitze der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion jemanden wollte, der erstens stark genug war und dem er zweitens einigermaßen vertrauen konnte. Oppermann sträubte sich, am Ende musste er es machen. Danach suchte er lange nach seiner Rolle im neuen Amt. Nun hat er sie gefunden.

Wann immer sich Kritik an Parteichef Gabriel regt, ist Oppermann zur Stelle. Gabriels Verhältnis zum überwiegenden Rest der Parteispitze ist zerrüttet bis gestört, doch in Oppermann hat er einen zumindest nach außen stets loyalen Verbündeten. Viele Genossen glauben nicht mehr daran, dass Gabriel die SPD aus der Krise führen kann. Aber Oppermann gibt Gabriels Ein-Mann-Prätorianergarde.

Er sieht seine Aufgabe darin, "für Disziplin auch in unruhigen Zeiten zu sorgen"

Kürzlich zum Beispiel, als die SPD in einer Umfrage unter 20 Prozent gerutscht war, erwartete mancher Genosse für die Sitzung der SPD-Fraktion eine Abrechnung mit dem Kurs des Parteichefs oder zumindest kritische Wortmeldungen. Doch Oppermann warnte schon am Tag zuvor im Fraktionsvorstand eindrücklich vor Personaldebatten und betonte unmittelbar vor der Fraktionssitzung nochmals: "Es gibt in der SPD keine Personaldiskussion." Die Sitzung verlief dann harmlos.

So geht das derzeit ständig - dabei ist es keineswegs so, dass die beiden stets beste Freunde gewesen wären. Sie haben eine lange gemeinsame Geschichte, saßen gemeinsam im Landtag in Niedersachsen und konkurrierten einst sogar kurz um das Amt des Ministerpräsidenten. Gabriel bekam es. Oppermann kennt die Schwächen des Parteivorsitzenden besser und länger als die meisten anderen, doch niemand verteidigt Gabriel derzeit öffentlich und halböffentlich entschiedener als er.

Woran das liegt? "In meiner Rolle als Fraktionsvorsitzender muss ich eine klare Haltung zum Ausdruck bringen. Meine Rolle ist es, für Disziplin auch in unruhigen Zeiten zu sorgen", sagt Oppermann. "Wir müssen uns über Themen profilieren, statt über uns selbst zu reden."

Den Eindruck allerdings, er folge Gabriel bedingungslos, will Oppermann dann auch wieder nicht entstehen lassen. "Sigmar Gabriel und ich pflegen ein offenes Verhältnis", sagt er. "Ihm persönlich gegenüber sage ich immer, wenn ich etwas kritisch sehe. Kursdiskussionen gehören aber nicht an die Öffentlichkeit."

Vor der Wahl im Herbst 2013, in der Opposition, hatte Oppermann als Parlamentarischer Geschäftsführer gekonnt den scharfzüngigen Angreifer gegeben. Nun, als Chef einer Koalitionsfraktion mit vielen Neulingen, fiel diese Möglichkeit der Profilierung weg - und noch bevor Oppermann sich auf die Suche nach einer neuen machen konnte, platzte Anfang 2014 die Affäre um den ehemaligen SPD-Abgeordneten Sebastian Edathy dazwischen, der Bilder nackter Knaben besessen hatte.

Oppermann machte damals öffentlich, dass der damalige Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich die SPD-Spitze Ende 2013 von dem Verdacht gegen Edathy in Kenntnis gesetzt hatte. Friedrich, inzwischen Landwirtschaftsminister, musste zurücktreten. Die Union, vor allem die CSU, schäumte - und Oppermann selbst musste sich weit bis ins Jahr 2015 immer wieder der Unterstellung erwehren, er habe in der Affäre nicht durchgehend die Wahrheit gesagt. Belegen ließ sich das nicht, doch Oppermann fasste nie mehr so recht Tritt. Zwischendurch versuchte er, ein Einwanderungsgesetz zu seinem Projekt zu machen, aber in der öffentlichen Debatte dominierte die Flüchtlingskrise. Nun gibt er den Gabriel-Stabilisator.

Allerdings ist auch Oppermann bei den eigenen Genossen nicht übermäßig beliebt. Bei seiner Wiederwahl zum Fraktionschef bekam er zuletzt nur 83 Prozent der Stimmen. Für einen Fraktionschef ist das eher dürftig - doch Oppermann erklärte, für jemanden wie ihn sei das ein gutes Ergebnis. Auch in der Sitzung am Dienstag beließ er es nicht dabei, die Abgeordneten mit dem Vorwurf der "Hasenfüßigkeit" zu verärgern. Stattdessen legte er nach: Ihm werde "Angst und Bange", wenn er die Debatte hier verfolge - woraufhin die bayerische Abgeordnete Marianne Schieder ihren Unmut äußerte. Oppermanns Antwort: Schieder habe wohl Angst, ihren Wahlkreis nicht mehr direkt zu gewinnen - was eine gezielte Unverschämtheit war, weil Oppermann genau wusste, dass Schieder nie auch nur in die Nähe eines Direktmandats gekommen ist. Schieder giftete zurück, bekam Applaus, am Ende entschuldigte sich Oppermann, zumindest für die "Hasenfüßigkeit". Die Attacke gegen Schieder untermauerte er mit der nächsten Bösartigkeit: Die Bayern-SPD habe ja überhaupt keine Direktmandate.

Wenn Oppermann dem Parteichef weiterhin helfen will, könnten derlei Auftritte eher hinderlich sein. Ein Verteidiger, der wie eine Gabriel-Kopie auftritt, dürfte Gabriels Probleme eher noch verschärfen.

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