Süddeutsche Zeitung

Leitantrag:Wie sich die SPD-Führung den Erneuerungsprozess vorstellt

  • Der SPD-Vorstand verabschiedet einen Leitantrag, mit dem die Erneuerung der Partei initiiert werden soll.
  • Neu daran ist vor allem der Weg, auf dem der Prozess beschritten werden soll.
  • Andrea Nahles fordert die Kanzlerin zu deutlicheren Aussagen auf, wie die Regierung zukünftig agieren soll.

Von Christian Gschwendtner, Berlin

Die SPD-Führung hat sich auf einen groben Zeitplan für die selbstverordnete Reform der Partei verständigt. "Das Herzstück ist die programmatische Erneuerung", heißt es in dem Leitantrag für den Bundesparteitag in zwei Wochen. Der SPD-Vorstand verabschiedete ihn am Montag. In ihm wird gleich am Anfang der Anspruch formuliert, "eine Politik zu entwickeln, die die Mehrheit unserer Gesellschaft verbindet". Inhaltlich gibt der Leitantrag bereits vier Schwerpunkte für die Neuaufstellung vor. Neben der Wohlstandssicherung soll es unter anderem um einen bürgerfreundlicheren Staat gehen. Und darum, wie sich Arbeit im Zeitalter der Digitalisierung organisieren lässt. Überprüfen will die SPD deshalb auch die Agenda-2010-Reformen - und ob deren Ansätze noch den "heutigen Gerechtigkeitsvorstellungen entsprechen". Als mögliche neue Konzepte, über die man diskutieren will, nennt der Antrag das solidarische Grundeinkommen und eine eigenständige Kindergrundsicherung.

Neu ist der Weg, mit dem die SPD den Erneuerungsprozess beschreiten will. Nach dem Parteitag am 22. April soll es sogenannte Lenkungsgruppen geben, die jeweils Vorschläge für die verschiedenen Themenschwerpunkte erarbeiten. Die Hoffnung ist, dass sich auch Kritiker der großen Koalition wie der Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert beteiligen. Anschließend will man die Ideen in sogenannten Debattencamps mit der breiten Bevölkerung diskutieren. Eine Art "Politikmesse" für alle, wie es der designierten Parteivorsitzenden Andrea Nahles vorschwebt.

Erst am Montag warf der ehemalige SPD-Chef Sigmar Gabriel seiner Partei allerdings vor, die Lebensrealität vieler Menschen aus den Augen verloren zu haben. In einem Gastbeitrag für den Berliner Tagesspiegel schrieb er: "Wenn 20 Prozent der deutschen Gemeinden weder eine Schule, einen Hausarzt, eine Apotheke noch einen Laden oder auch nur eine Bushaltestelle haben, dann gehört das für die dort lebenden Menschen auch zum 'Staatsversagen'". Gabriel sieht in einigen Bereichen einen "Kontrollverlust des Staates". Eine Debatte über innere Sicherheit, wie sie Gesundheitsminister Jens Spahn angestoßen hat, sei deshalb "richtig und notwendig."

Mit seiner Wortmeldung setzte sich Gabriel von Nahles ab. Sie hatte Spahn für seine Klage über angeblich rechtsfreie Räume in einigen Großstädten scharf kritisiert. Einen Tag vor der Klausur auf Schloss Meseberg forderte Nahles nun von Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Prioritätenliste, die Klarheit über den Kurs der neuen Regierung schafft: "So langsam müsste mal ein Gesamtbild entstehen, wohin's denn in den nächsten Monaten gehen soll." CSU-Chef und Bundesinnenminister Horst Seehofer wies die Kritik der SPD am aktuellen Zustand der Regierung mit deutlichen Worten zurück. "Die Sozialdemokraten stehen immer noch neben der Spur. Ich rate ihnen zu mehr Gelassenheit", sagte er am Montag vor einer Sitzung des CSU-Vorstands in München. Trotz der heftigen Kritik von Andrea Nahles rechnet Seehofer "mit einer ganz normalen Arbeitsklausur des Kabinetts".

Auch der stellvertretende CDU-Vorsitzende Armin Laschet mahnte vor der Klausur des Kabinetts ein klares Arbeitsprogramm der neuen Regierung an. "Ich erwarte von der morgigen Klausurtagung, dass die Bundesregierung jetzt einen Zeitplan vorlegt, wann sie was umsetzt", sagte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident. Es sei wichtig, "dass jetzt Politik gemacht wird, nicht mit Interviews, sondern mit konkreten Gesetzen."

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SZ vom 10.04.2018/bix
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