SPD debattiert über Spitzensteuersatz:Wenn Flügel flattern

Kaum kommt die SPD in Umfragen auf 30 Prozent, wagt sie neuen Streit: Die Parteilinke möchte eine Reichensteuer von 52 Prozent einführen, wenn die SPD 2013 wieder den Kanzler stellen sollte. Nicht nur Parteichef Gabriel lehnt das ab - die sozialdemokratischen Pragmatiker fürchten das Image der "Steuererhöhungspartei".

Susanne Höll

Sieht man einmal von dem Tohuwabohu um den Ex-Bundesbanker Thilo Sarrazin ab, ging es bei den Sozialdemokraten in den vergangenen zwei Jahren relativ friedlich zu. Wer sich an die scharfen Streitereien in ihren Regierungsjahren erinnert, mag das erstaunlich finden. Ein Wunder war das allerdings nicht. Schließlich mussten sich die Sozialdemokraten nach ihrer katastrophalen Niederlage bei der jüngsten Bundestagswahl neu besinnen, politisch, aber auch persönlich. Und selbst wenn sie dann noch Kraft und Lust gehabt hätten, untereinander zu hadern - den lautstarken Zank zwischen den regierenden Parteien Union und FDP hätten sie kaum übertönen können. Doch nun scheint sich das Blatt langsam zu wenden.

SPD leader Gabriel speaks during debate about European stabilisation mechanism in Bundestag in Berlin

Er lehnt eine Anhebung des Spitzensteuersatzes auf 52 Prozent ab: SPD-Chef Sigmar Gabriel.

(Foto: REUTERS)

Zum einen steigen die Umfragewerte der SPD endlich auf die Zahl von 30 Prozent, eine Entwicklung, auf die die Genossen auf ihren Oppositionsbänken lange Monate ebenso sehnsüchtig wie vergeblich gewartet hatten. Und zugleich wächst wieder die Lust an der internen Auseinandersetzung. Den Bundesparteitag im Dezember werden mindestens zwei strittige Themen prägen - der um die Steuersätze und der um die Parteireform.

Beim Thema Steuern melden sich nun wieder einmal die zu Wort, die scheinbar ewige Zeit geschwiegen hatten, Vertreter der unterschiedlichen Parteiflügel nämlich. Die von der linken Seite wollen sich nicht mit den Finanzplänen der Bundesspitze für den Fall einer neuerlichen Regierungsübernahme begnügen. Ein Spitzensteuersatz von 49 Prozent ist ihnen nicht genug, sie wollen Bestverdiener dazu noch mit einer Reichensteuer belegen, die zu einem Höchstsatz von 52 Prozent führen würde. Der andere Flügel ist strikt dagegen.

Gabriel: "Bei 30 Prozent beginnt bei einigen wieder die Vergesslichkeit"

"Wir bereiten uns auf eine Regierungsübernahme im Bund vor und sind keine Steuererhöhungspartei", sagt Christian Lange, Bundestagsabgeordneter aus Baden-Württemberg und Sprecher des Netzwerkes, einem Zusammenschluss pragmatischer Genossen. Im konservativen Seeheimer Kreis sieht man das genauso.

Und auch der Parteivorsitzende Sigmar Gabriel ist über diese Forderungen, die von der Parlamentarischen Linken (PL) kommen, den Jungsozialisten, dem Bezirk Hessen-Süd und der Bremer SPD alles andere als entzückt. "Bei 30 Prozent beginnt bei einigen wieder die Vergesslichkeit", habe Gabriel diese Pläne mit Blick auf die jüngsten Umfragen kommentiert, verlautete aus Parteikreisen. Nicht nur den Vorsitzenden treibt zu Recht die Sorge, dass die SPD ihre gestiegene Popularität schnell wieder verlieren könnte, wenn sie Spitzenverdienern künftig mehr als die Hälfte des Einkommens wegsteuern wolle.

Eine zweite strittige Frage betrifft Gabriels Pläne zur Reform der eigenen Partei. Er möchte die Gremien verkleinern, Nicht-Mitgliedern erlauben, sich an einigen SPD-Personalentscheidungen zu beteiligen und für den Bundesvorstand eine Migrantenquote einführen. Das stößt nun allerdings flügelübergreifend auf Widerstand. Die Hamburger SPD, kein Hort der Linken, lehnte einmütig neue Quotierungen und eine weitgehende Mitwirkung von Außenstehenden ab.

Nun streben Chefs politischer Organisationen nach größtmöglicher innerparteilicher Geschlossenheit. Zank goutiert der Wähler nicht. Eine Volkspartei aber lebt auch von der Auseinandersetzung ihrer Flügel, auch wenn dabei manchmal Unfug geredet wird. Ansonsten wäre sie langweilig oder stünde am Rande ihrer Existenz. So, wie es bei der SPD bekanntlich 2009 der Fall war.

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