SPD-Chefs nach 1946:Sozialdemokratischer Schleudersitz

Von 1946 bis 1987 hatte die SPD nur drei Vorsitzende. Danach blieben die Obersozis nur jeweils nur wenige Jahre. Einer kam wieder, einer amtierte kommissarisch - und die meisten scheiterten an ihrer Partei. Ein Überblick.

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SPD-Chefs nach 1946:Kurt Schumacher

Kurt Schumacher SPD

Quelle: DPA

Von 1946 bis 1987 hatte die SPD nur drei Vorsitzende. Danach blieben die Obersozis nur jeweils nur wenige Jahre. Einer kam wieder, einer amtierte kommissarisch - und die meisten scheiterten an ihrer Partei. Ein Überblick.

Dank seines großen organisatorischen Geschicks wurde Kurt Schumacher nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs schnell die unangefochtene Führungsfigur der Sozialdemokraten. Im Mai 1946 wählte ihn die SPD in den drei westlichen Besatzungszonen zum Parteivorsitzenden - nur kurz nach der von ihm heftig bekämpften Zwangsvereinigung von KPD und SPD zur SED in der sowjetischen Besatzungszone. Schumacher sah in den Kommunisten "rotlackierte Faschisten". Der frühere Reichstagsabgeordnete, der während der NS-Diktatur fast die gesamte Zeit im KZ saß, starb 1952 an den Spätfolgen der Haft.

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SPD-Chefs nach 1946:Erich Ollenhauer

ERICH OLLENHAUER

Quelle: DPA

Mehr als elf Jahre stand Erich Ollenhauer an der Spitze der SPD. In die Zeit zwischen 1952 und 1963 fällt vor allem die grundlegende programmatische und organisatorische Neuorientierung der Sozialdemokraten. Diese mündete 1959 in das sogenannte Godesberger Programm, das den Wandel von einer marxistischen Arbeiterpartei hin zu einer pragmatischen Volkspartei dokumentierte. Zwischen 1975 und 1999 trug die SPD-Parteizentrale in Bonn ("Baracke") den Namen ihres zweiten Nachkriegsvorsitzenden.

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SPD-Chefs nach 1946:Willy Brandt

Umbau 'Willy Brandt Villa' auf dem Venusberg

Quelle: dpa

Willy Brandt gilt bis heute als Übervater der Nachkriegs-SPD. Er war bereits 1961 Kanzlerkandidat und bescherte den Sozialdemokraten bei der Wahl deutliche Zugewinne. Als SPD-Vorsitzender von 1964 an war Brandt noch bis 1966 Regierender Bürgermeister von Berlin, danach Außenminister in der Großen Koalition, bevor er 1969 Bundeskanzler wurde. Auch nach seinem Rücktritt als Bundeskanzler 1974 blieb Brandt noch 13 Jahre Vorsitzender der Partei. 1987 trat er zurück, nachdem es heftige parteiinterne Kritik an seinem Vorschlag gegeben hatte, die junge Griechin Margarita Mathiopoulos zur Parteisprecherin zu machen. Brandt, nach dem die SPD-Parteizentrale in Berlin benannt ist, starb 1992.

Dieses Foto zeigt Brandt mit seiner Ehefrau Rut 1972.

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SPD-Chefs nach 1946:Hans-Jochen Vogel

Bundestagswahl historisch

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Hans-Jochen Vogel war von 1987 bis 1991 Vorsitzender der SPD. Er bezeichnete sich selbst immer wieder als "Übergangs-Vorsitzenden". Vogel war zuvor Oberbürgermeister von München, Regierender Bürgermeister von Berlin, Bundesjustizminster und Kanzlerkandidat der SPD. Als Kanzlerkandidat Oskar Lafontaine nach seiner Wahlniederlage 1990 nicht SPD-Chef werden wollte, stellte der intern wegen seiner Ordnungsliebe als "wandelnde Klarsichthülle" verspottete Vogel - von den parteiinternen Flügelkämpfen aufgerieben - das Amt zur Verfügung.

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SPD-Chefs nach 1946:Björn Engholm

Björn Engholm erhält Willy-Brandt-Preis

Quelle: dpa/dpaweb

Björn Engholm war zu Beginn der neunziger Jahre die große Hoffnung der SPD. Bundesweit bekannt wurde der Norddeutsche 1988, als er nach der Barschel-Affäre Ministerpräsident von Schleswig-Holstein wurde. Fünf Jahre später stolperte auch Engholm über diese Affäre. Engholm musste zugeben, früher von den Machenschaften Barschels gewusst zu haben, als er im Untersuchungsausschuss eingestanden hatte. 1993 gab er den Parteivorsitz, sein Amt als Ministerpräsident und die Kanzlerkandidatur ab und verschwand in der politischen Versenkung.

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SPD-Chefs nach 1946:Johannes Rau

Johannes Rau Bundespräsident NRW Ministerpräsident SPD

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Wenn es früher in der SPD brenzlig wurde, riefen die Genossen immer nach Johannes Rau ("Versöhnen statt spalten"). Deshalb war der damalige Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen und spätere Bundespräsident 1993 für knapp zwei Monate kommissarischer Chef der Sozialdemokraten, nachdem Björn Engholm überraschend zurückgetreten war.

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SPD-Chefs nach 1946:Rudolf Scharping

Jutta Scharping und Rudolf Scharping, 1995

Quelle: DPA

Beim Kampf um den SPD-Chefsessel setzte sich 1993 Rudolf Scharping in einem Mitgliederentscheid gegen Gerhard Schröder und Heidemarie Wieczorek-Zeul durch. Der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz verlor nach einem unglücklichen Wahlkampf 1994 als Kanzlerkandidat gegen Helmut Kohl. Zwar wechselte der heute 66-Jährige anschließend als Fraktionsvorsitzender nach Bonn, agierte aber auch hier glücklos. Nach mehreren Demütigungen - Rücktritt als Fraktionsvorsitzender und Verteidigungsminister - hat er sich inzwischen aus der Politik zurückgezogen.

Dieses Bild zeigt Scharping mit seiner damaligen Ehefrau Jutta beim Bundespresseball Anfang November 1995. Einen Monat später war er seinen Posten als SPD-Chef los.

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SPD-Chefs nach 1946:Oskar Lafontaine

OSKAR LAFONTAINE BEI GRUNDSATZREDE

Quelle: DPA

Mit seiner fulminanten Rede auf dem Mannheimer Parteitag ("Zieht euch warm an") verkörperte Oskar Lafontaine 1995 das Gegenteil des eher spröden Scharping. Der Saarländer riss die Delegierten so mit, dass er daraufhin gegen Scharping für den Parteivorsitz kandidierte - und gewann. Nach seinem Putsch gegen den Rheinland-Pfälzer schmiedete Lafontaine das Männerbündnis mit Gerhard Schröder. Anders als vorhergesagt ("Zwischen uns passt kein Blatt Papier") kam es nach dem Wahlsieg 1998 zu einem Zerwürfnis der beiden. Von einem Tag auf den anderen schmiss Lafontaine 1999 seine Ämter - SPD-Chef, Finanzminister, Bundestagsmandat - hin und zeigte sich zunächst nur auf dem heimatlichen Balkon. Konsequent hat er seitdem die Politik des noch amtierenden Bundeskanzlers hintertrieben.

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SPD-Chefs nach 1946:Gerhard Schröder

Gerhard Schröder wird 65

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Das Kanzleramt hat Gerhard Schröder immer offen angepeilt ("Ich will da rein"), den Parteivorsitz nie. Die SPD war vor allem Mittel zum Zweck seiner politischen Ambitionen. 1986 trat er erstmals als Spitzenkandidat seiner Partei in Niedersachsen an und wurde vier Jahre später Ministerpräsident. Nachdem er 1998 die niedersäschsische Landtagswahl in eine Volksabstimmung über seine Kanzlerkandidatur umgewandelt hatte, wurde er Kanzlerkandidat der SPD. Ein Jahr später - nach der Flucht Lafontaines aus allen Ämtern - musste Schröder den Parteivorsitz übernehmen. Fünf Jahre später gab er diesen nach heftigen innerparteilichen Auseinandersetzungen um die Agenda 2010 an Franz Müntefering ab, blieb aber Kanzler.

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SPD-Chefs nach 1946:Franz Müntefering

SPD-Vorstandssitzung Müntefering

Quelle: dpa/dpaweb

Franz Müntefering war Gerhard Schröders engster und wichtigster Mitstreiter in der SPD. Er arbeitete dem Kanzler in den verschiedenen Funktionen zu: Generalsekretär, Fraktionsvorsitzender im Bundestag, Kampagnenmanager. 2004 übernahm er dann sogar den Parteivorsitz von Schröder. Bei seinem Amtsantritt erklärte er, das Amt sei "das schönste neben dem Papst". Die Ära Müntefering währte nur kurz: Als er seinen langjährigen Vertrauten Kajo Wasserhövel nicht als Generalsekretär durchsetzen konnte, warf "Münte" im November 2005 hin.

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SPD-Chefs nach 1946:Matthias Platzeck

Designated Social Democratic Party leader Platzeck addresses the SPD party meeting in Karlsruhe

Quelle: REUTERS

Matthias Platzeck hatte sich nicht um den Posten des SPD-Chefs gerissen. Doch die Genossen feierten ihn wie einen Erlöser: Er erhielt bei der Wahl im November 2005 mit 99,4 Prozent das beste Ergebnis seit Kurt Schumacher. Der brandenburgische Ministerpräsident trat nur wenige Monate später, am 10. April 2006, vom SPD-Vorsitz zurück, nachdem er zwei Hörstürze und einen Kreislauf- und Nervenzusammenbruch erlitten hatte.

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SPD-Chefs nach 1946:Kurt Beck

Bundespressekonferenz - Kurt Beck SPD

Quelle: dpa

Nach Platzecks Abschied galt Kurt Beck als letzte Rettung der SPD. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident übernahm das Amt des Vorsitzenden im April 2006. Er fremdelte jedoch mit dem Willy-Brandt-Haus und verpasste es, sich in Berlin eine eigene Machtbasis zu etablieren. Die Folge waren ständige Gerüchte um einen Verzicht Becks auf die Kanzlerkandidatur 2009. So weit kam es gar nicht: Schon 2008 legte Beck sein Amt nieder.

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SPD-Chefs nach 1946:Frank-Walter Steinmeier

Frank-Walter Steinmeier SPD

Quelle: Getty Images

Nach Becks plötzlichem Rücktritt verwaltete Steinmeier den Parteivorsitz wenige Wochen kommissarisch. Von September bis Oktober 2008 amtierte er, dann übergab er an einen Ex-Parteichef. Es war seine Idee, als offiziellen Nachfolger Franz Müntefering ins alte Amt zu hieven.

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SPD-Chefs nach 1946:Franz Müntefering

SPD Franz Müntefering

Quelle: dpa

Nachdem Franz Müntefering das Amt als Vizekanzler und Arbeitsminister 2007 niederlegte, war es still um ihn geworden. Um sich seiner krebskranken Frau zu widmen, nahm er eine Pause von der großen Politik. 2008 übernahm er wieder das Kommando. Von Oktober 2008 bis November 2009 fungierte er erneut als Parteichef. Müntefering zählt neben Gerhard Schröder und Frank-Walter Steinmeier zu den Köpfen der Agenda 2010. Nach dem schmachvollen Ergebnis von 23 Prozent bei der Bundestagswahl 2009 legte Müntefering das Amt des Vorsitzenden nieder. Nach insgesamt 31 Jahren im Bundestag zog sich Müntefering nach der Wahl 2013 zurück.

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SPD-Chefs nach 1946:Sigmar Gabriel

SPD-Bundesparteitag Sigmar Gabriel

Quelle: dpa

Seit 2009 lenkt und leitet Sigmar Gabriel als Parteivorsitzender die Sozialdemokraten. Beim SPD-Bundesparteitag in Dresden wurde er an die Spitze der Partei gewählt und bislang zweimal im Amt bestätigt.

Dass die SPD bei der Bundestagswahl 2013 das zweitschlechteste Ergebnis der Parteigeschichte einfuhr, konnte ihm nichts anhaben. Dem Niedersachsen gelang es vielmehr, mit dem Mittel des Mitgliederentscheids zunächst die Union bei den Koalitionsverhandlungen zu Kompromissen zu zwingen und dann die Genossen zum "Ja" zu bewegen. Nahezu alle Kommentatoren sind sich einig: Gabriel hat die Wahlniederlage in einen Erfolg verwandelt und ist nun nicht nur Superminister für Wirtschaft und Energie, sondern auch "Superparteichef".

© SZ.de/odg/isa
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