Süddeutsche Zeitung

SPD-Chef Sigmar Gabriel:Ganz der Alte

Lesezeit: 3 Min.

Von Christoph Hickmann, Berlin

Eigentlich ist doch gerade alles gut, zumindest aus Sigmar Gabriels Sicht. Abstimmung gewonnen, Machtprobe bestanden, all jene widerlegt, die schon wieder eine Vorsitzenden-Dämmerung herbeireden wollten. Gut, berauschend ist das Ergebnis nun wirklich nicht, Geschlossenheit sieht anders aus - aber die SPD beschert ihrem Regierungspersonal nun mal äußerst selten berauschende Ergebnisse und gibt sich etwa ebenso selten tatsächlich geschlossen. Von daher könnte Gabriel es auf dem Podium jetzt ruhig angehen lassen, genießen, ein paar besonnene Sätze zu Protokoll geben und dann wieder verschwinden.

Könnte er. Wenn er nicht Sigmar Gabriel wäre.

Samstagnachmittag, der SPD-Vorsitzende ist zur Pressekonferenz ins Atrium des Willy-Brandt-Hauses gekommen. Oben läuft noch der Parteikonvent, doch der wichtigste Tagesordnungspunkt, die Vorratsdatenspeicherung, ist gerade abgearbeitet, deshalb will Gabriel hier schon einmal Stellung nehmen. Nach langer, größtenteils sachlicher Debatte hat der Konvent dem Antrag des Parteivorstands und damit der Vorratsdatenspeicherung zugestimmt, mit 124 Ja-Stimmen gegen 88 Mal Nein bei sieben Enthaltungen. Ein klitzekleines Zugeständnis an die Gegner hat es gegeben, die Wirkung des Gesetzes soll bis 2018 von unabhängigen Sachverständigen bewertet werden. Das war es, ein knapper Sieg, Gabriel hat zur Pressekonferenz Justizminister Heiko Maas und Martin Schulz mitgebracht, den Präsidenten des Europaparlaments.

Er kann es auch jetzt nicht lassen

Schon die Anordnung der drei wirkt äußerst seltsam: Gabriel und Schulz an den Rednerpulten, Maas in der Mitte dazwischen, irgendwie verloren, ohne Pult und daher ständig damit beschäftigt, seine Hände irgendwie zu falten. Nach den Kurzreferaten folgt die erste Frage, sie geht an Maas: Ob denn die Sache mit der Evaluierung des Gesetzes mit der Union vorbesprochen sei?

Gabriel schiebt sich ans Mikrofon, das er zwischenzeitlich Maas überlassen hatte. Er setzt zur Antwort an.

Ironischer Einwand des Reporters: "Guten Tag, Herr Maas."

Darauf Gabriel: "Sie wollen die Frage doch beantwortet haben, oder?"

Er kann es also auch jetzt nicht lassen. Zweimal hat er in den vergangenen Wochen bereits Sprüche auf Maas' Kosten gemacht - nachdem er den Justizminister, ursprünglich ein Gegner der Vorratsdatenspeicherung, überhaupt erst zu diesem Gesetzentwurf gedrängt (manche sagen: geradezu gezwungen) hatte. Erst sagte er: "Selbst aus Heiko Maas wird aus meiner Sicht noch 'n anständiger Innere-Sicherheits-Politiker." Dann erklärte er in Anspielung auf einen Beschluss zur Vorratsdatenspeicherung aus dem Jahr 2011, er habe Maas empfohlen, in Zukunft mal dran zu denken, sich die Parteitagsbeschlüsse anzusehen. Nun also der dritte Streich.

Maas lässt sich nichts anmerken, sondern wartet Gabriels Antwort ab (er habe mit Innenminister Thomas de Maizière gesprochen, de Maizière sei einverstanden), dann tritt er wenigstens kurz noch einmal selbst ans Mikrofon und sagt, dass eine statistische Überprüfung des Gesetzes ohnehin bereits vorgesehen gewesen sei.

Bereits drinnen, während der nichtöffentlichen Debatte, war laut Teilnehmern am Applaus und in den Redebeiträgen deutlich geworden, wie beliebt und anerkannt Maas mittlerweile in der Partei ist - obwohl er in Sachen Vorratsdatenspeicherung eine beachtliche bis befremdliche Kehrtwende vollzogen hat. Und schon in den vergangenen Wochen war es einigen Spitzengenossen übel aufgestoßen, wie Gabriel den Justizminister behandelt hatte. So langsam dürfte für manchen nun das Maß voll sein.

War es notwendig, die große Keule rauszuholen?

Und Gabriel? Bekommt die nächsten Fragen gestellt - unter anderem danach, ob es eigentlich notwendig gewesen sei, in den Tagen vor dem Konvent die große Keule rauszuholen und für den Fall eines Votums gegen die Vorratsdatenspeicherung vor dem Verlust der Regierungsfähigkeit zu warnen? Generalsekretärin Yasmin Fahimi hatte das getan.

Antwort Gabriel: Manche hätten ihm gesagt, ohne solche Aussagen wäre die Mehrheit deutlicher ausgefallen.

Nun kann man zu seinen Gunsten annehmen, dass er sich damit auch selbst bezichtigt - schließlich hatte er zuletzt in internen Runden gewarnt, die Gegner trügen im Fall einer Ablehnung auch Verantwortung dafür, wie es weitergehe. Und in der "Bild"-Zeitung war die Meldung von einer direkten Rücktrittsdrohung Gabriels gelandet. Man kann es aber genauso gut so sehen, dass Gabriel auch seiner Generalsekretärin in der Stunde der Erleichterung noch mal kräftig eins mitgibt.

So ist er eben. Und so wird er wohl auch bleiben. Falls er Spitz-auf-Knopf-Situationen wie an diesem Samstag künftig vermeiden will, sollte er die Zahl solcher Auftritte allerdings wohl reduzieren.

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