SPD-Chef Sigmar Gabriel:Fünf Jahre Minderheitsregierung - warum nicht?

SPD-Chef Gabriel setzt Hoffnungen in das Bündnis in NRW - und geht auf Konfrontation mit der Regierung: "Sie orientiert sich nicht am Gemeinwohl", sagt er. Nur einem CDU-Politiker bringt er Wohlwollen entgegen.

SPD-Chef Sigmar Gabriel geht von einer vollen Legislaturperiode der besiegelten rot-grünen Minderheitsregierung in Nordrhein-Westfalen aus. "Wir streben keine Neuwahlen an", sagte Gabriel der Bild am Sonntag. Die Landesregierung, der im Landesparlament eine Stimme zu absoluten Mehrheit fehlt, müsse sich dort ihre Mehrheiten suchen. "Ich glaube nicht, dass CDU, FDP und Linke zusammen ein Blockade-Oppositionsbündnis eingehen", sagte Gabriel der Zeitung.

In Bezug auf die Wahl von Hannelore Kraft (SPD) zur Ministerpräsidentin zeigte sich Gabriel zuversichtlich, dass die Chefin der NRW-SPD bereits "im ersten Wahlgang" gewählt wird.

Die Bildung einer Minderheitsregierung sieht der SPD-Chef auch für den Bund als Option. "Solche Minderheitenregierungen, die inhaltlich gut arbeiten, sind allemal besser als Regierungen, die zwar eine rechnerische Mehrheit haben, aber nichts miteinander anzufangen wissen", so Gabriel weiter.

SPD und Grüne in NRW besiegelten am Samstag ihren Koalitionsvertrag und stellten damit die letzten Weichen für die Wahl Krafts zur Ministerpräsidentin. Hannelore Kraft will am Mittwoch im NRW-Landtag den bisherigen Regierungschef Jürgen Rüttgers (CDU) ablösen. In der künftigen Minderheitsregierung stellt die SPD sieben Minister und den Chef der Staatskanzlei, die Grünen erhalten drei Ministerien.

"Die Linke muss sich entscheiden"

Dass die SPD nun auf Grund des Regierungswechels in NRW Projekte der Regierung im Bundesrat stoppen kann, will sie bald nutzen - vor allem in der Frage nach Verlängerungen der Laufzeiten von Atomkraftwerken. Sollte diese Entscheidung ohne Beteiligung des Bundesrats getroffen werden, würde die SPD notfalls vor das Bundesverfassungsgericht ziehen: "Wir würden dagegen klagen und dem Gericht die eigenen Gutachten der Bundesregierung als Begründung vorlegen", kündigte Gabriel in dem Interview an. Er verwies weiter darauf, dass selbst Umweltminister Norbert Röttgen und CDU-Ministerpräsidenten vor einem Verfassungsbruch warnten, falls Kanzlerin Angela Merkel und FDP-Chef Guido Westerwelle den Bundesrat aushebelten.

"Ein unverantwortlicher Deal"

Die SPD werde nicht zulassen, dass die Bundesregierung einen Kuhhandel mit der Atomwirtschaft betreibe und für Geld Abstriche bei der Sicherheit in Kauf nehme, sagte er. "Alte und störanfällige Atommeiler wie Biblis A weiterlaufen zu lassen, nur um im Gegenzug von der Atomwirtschaft Geld durch eine Brennelementesteuer zu bekommen, ist ein unverantwortlicher Deal", kritisierte er.

Der baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus hatte gefordert, dass die Einnahmen aus der neuen Steuer komplett in die Förderung erneuerbarer Energien fließen müssten. Nur so sei die nötige Unterstützung der Bevölkerung zu erhalten, sagte der CDU-Politiker der Süddeutschen Zeitung. Das Geld dürfe keinesfalls einfach im Bundeshaushalt verschwinden.

Kritik erntete Umweltminister Röttgen von Mappus. Er sei das Thema nicht gut angegangen, sondern habe es auf einen Gegensatz zwischen Ja und Nein zugespitzt, den es so gar nicht gebe. Deshalb werde die Regierung nun zwei Mal geprügelt - für ihre Position im Wahlkampf und nun für die Umsetzung. "Insofern haben wir ein halbes Jahr verloren, der Opposition ordentlich Futter gegeben", bemängelte Mappus in der ARD. "Das halte ich managementmäßig für keine Großtat. Das war sicher nicht optimal".

Die Frage nach einem rot-rot-grünen Bündnis auf Bundesebene ließ Gabriel offen. "Die Linke muss vorher entscheiden, ob sie eine linke Reformpartei sein will, mit dem Anspruch zu regieren - oder ob sie eine reine Oppositionspartei sein will", sagte er zu Bild am Sonntag. Außerdem müsse die Linkspartei ihr Verhältnis zum DDR-Unrecht und zum Parlamentarismus klären.

In dem Interview sagte Gabriel auch, dass die SPD sich im Bundestag verstärkt für eine bessere Integration von Ausländern in Deutschland einsetzen will. Die Antrittsrede von Bundespräsident Christian Wulff sei dabei "eine ideale Begründung für die Anträge der SPD". Wulff habe in seiner Rede Forderungen der SPD aufgegriffen und Fortschritte bei der Integration angemahnt.

"Endlich auch Taten"

Die SPD will laut Gabriel unter anderem die doppelte Staatsbürgerschaft und das Kommunalwahlrecht für Ausländer durchsetzen. Außerdem soll die Sprachförderung in Kindergärten ausgebaut werden. Er sei gespannt, ob nach dem Beifall für die Wulff-Rede bei der Bundesregierung und in den unionsgeführten Landesregierungen "endlich auch Taten folgen".

Wulff habe den Respekt der SPD und "unsere Unterstützung für seine Arbeit", sagte Gabriel. Wulff hat nach seiner Vereidigung vor Bundestag und Bundesrat am 3. Juli angekündigt, er wolle sich für ein stärkeres Gemeinschaftsgefühl in Deutschland einsetzen und dabei helfen, Brücken zwischen den unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen zu bauen.

Für die schwarz-gelbe Koalition habe er dagegen wenig übrig. Seiner Meinung nach habe die momentane Regierung vor allem Klientelpolitik und "neun Monate nichts Sinnvolles" getan: "Diese Regierung orientiert sich nciht am Gemeinwohl", sagte er. Das zeige sich vor allem an der "Zerstörung des Solidarprinzips bei der Krankenversicherung".

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