SPD-Chef in der Krise:Becks schwarzer Freitag

Für die SPD war es ein schwarzer Tag. Für Andrea Ypsilanti und ihre hessischen Genossen sowieso, aber auch für Kurt Beck. Der SPD-Chef kann seinen persönlichen Glaubwürdigkeitsverlust nicht mehr rückgängig machen.

Nico Fried

Es war ein Auftritt, der in Erinnerung bleiben wird. Binnen weniger Minuten hat die SPD-Abgeordnete Dagmar Metzger das ganze gedankliche Konstrukt eingerissen, das sich Andrea Ypsilanti, Kurt Beck und andere sozialdemokratische Befürworter oder Dulder einer Kooperation mit der hessischen Linken mühsam gebastelt hatten. Eine bislang unbekannte Politikerin hat bemerkenswerten Mut bewiesen - und zugleich die SPD insgesamt noch tiefer in eine nun schon fast existentielle Krise gestürzt.

SPD-Chef in der Krise: Die Vorsitzende der Hessen-SPD, Andrea Ypsilanti,  mit SPD-Chef Kurt Beck (Archivaufnahme):  Gedankliche Konstrukte eingerissen.

Die Vorsitzende der Hessen-SPD, Andrea Ypsilanti, mit SPD-Chef Kurt Beck (Archivaufnahme): Gedankliche Konstrukte eingerissen.

(Foto: Foto: ddp)

Metzgers Argument für ihr "Nein" ist nach all den gewundenen Erklärungen und verdrucksten Rechtfertigungen der vergangenen Tage von wohltuender Klarheit. Sie hat im Wahlkampf versprochen, keine gemeinsame Sache mit der Linken zu machen, und sieht sich an dieses Wort gebunden.

Dieses Versprechen galt für die ganze SPD, aber viele wollten es nicht mehr wahrhaben. Wie weit die Realitätsverweigerung reicht, offenbart die Tatsache, dass Generalsekretär Hubertus Heil namens des Parteivorstandes Ypsilanti Respekt für ihren Rückzug aussprach, Metzger und ihre couragierte Position aber mit keinem Wort erwähnte.

Dass Dagmar Metzger aufgrund der Erlebnisse ihrer Familie die Linke heute noch in einer Verantwortung für die SED-Vorgänger sieht, mag objektiv diskutierbar sein. Der Streit über Kontinuität und Bruch mit der Vergangenheit gehört zur deutschen Geschichte wie die Tatsache, dass es hier wenige absolute Wahrheiten gibt. Genau deshalb aber steht es einer gewählten Abgeordneten auch frei, ihre Entscheidung einzig an ihrer persönlichen Überzeugung und ihrem Gewissen auszurichten.

Für die SPD war es ein schwarzer Freitag. Für Andrea Ypsilanti und ihre hessischen Genossen sowieso, aber auch für Kurt Beck. Der SPD-Vorsitzende hat im Versuch, aus einem gefühlten Erfolg in Hessen einen richtigen Sieg zu machen, den Weg für eine Kooperation geebnet, die es nun nicht geben wird. Seinen persönlichen Glaubwürdigkeitsverlust kann er jedoch nicht mehr rückgängig machen. Beck hat alles riskiert, den Hessen freie Hand gegeben - und steht nun selbst mit leeren Händen da.

Wenn Beck Parteichef bleibt, wird er jetzt jene Diskussion führen lassen müssen, die er mit seinem Alleingang unterband. Die SPD muss klären, wie sie es künftig halten will mit der Konkurrenz von links - vor allem aber mit sich selbst. Denn das Für und Wider einer Kooperation mit der Linkspartei ist nur ein Nebenschauplatz für die eigentlich fällige Debatte in der SPD: die um ihre eigene politische Ausrichtung.

Der Weg der vergangenen Tage war so oder so der falsche. Statt sich auf sich selbst zu besinnen, suchten viele Sozialdemokraten plötzlich krampfhaft nach Schnittmengen mit der Linken. Statt der Suche nach eigener Stärke rückte in den Vordergrund die Suche nach Rechtfertigungen dafür, sich die Stärke anderswo zu leihen.

Das Schlimmste, was die SPD sich nun selbst antun könnte, wäre geheuchelte Solidarität. Wenn die Sozialdemokraten dem Versuch der Schadensbegrenzung nun wieder Vorrang vor einer ehrlichen Auseinandersetzung geben, wird der wirkliche Schaden am Ende noch größer sein. Die erste Entscheidung dazu liegt bei Kurt Beck. Der Vorsitzende muss wissen, ob er in der Lage ist, seine Partei auf diesen unausweichlichen Weg zu führen. Und wenn ja, muss die SPD um ihrer selbst willen entscheiden, ob sie ihm das noch glaubt.

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