SPD, Bundeswehr und Afghanistan:Rolle rückwärts

Die Sozialdemokraten wollen die deutschen Soldaten aus Afghanistan jetzt abziehen - und setzten sich damit in Widerspruch zur Position, die sie im Wahlkampf vertreten haben.

Susanne Höll

Die SPD fordert eine konkrete Exitstrategie für die Bundeswehr aus Afghanistan. In einem gemeinsamen Positionspapier, das zur Afghanistan-Konferenz der Partei an diesem Freitag in Berlin veröffentlicht wird, fordern Parteichef Sigmar Gabriel und Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier, dass der Abzug der Truppen im Sommer 2011 beginnt und zwischen 2013 und 2015 abgeschlossen wird. Eine weitere Aufstockung des Bundeswehrkontingents, das derzeit eine Obergrenze von 4500 hat, lehnt die SPD ab.

Steinmeier Gabriel SPD dpa

Kehrtwende in der Causa Afghanistan-Einsatz: SPD-Granden Steinmeier und Gabriel

(Foto: Foto: dpa)

Die Causa kommentiert Susanne Höll.

Seit dem 27.September sind noch nicht einmal vier Monate vergangen, und schon hat die SPD eine Wahlkampfparole für die nächste Bundestagswahl gefunden. Und die lautet: "Die Bundeswehr muss jetzt raus aus Afghanistan."

Wie sonst soll man die Festlegung von Parteichef Sigmar Gabriel und Frank-Walter Steinmeier auf ein Datum für das Ende des Militäreinsatzes zwischen den Jahren 2013 und 2015 verstehen?

Es sind nicht außen- und sicherheitspolitische Überlegungen, die der deutschen Sozialdemokratie diesen Positionswechsel bescheren, der Meinungswandel hat rein parteitaktische Gründe. Noch im Frühherbst vergangenen Jahres hatte es der damalige Außenminister und Kanzlerkandidat Steinmeier abgelehnt, einen Zeitpunkt für das Ende des Einsatzes zu nennen.

An der Lage in Afghanistan hat sich seither nichts geändert; die Gewalt hat seither nicht abgenommen, im Gegenteil. Geändert hat sich allerdings die Situation der SPD.

Sie bekam bei der Bundestagswahl gerade einmal 22 Prozent, ist nun in der Opposition und muss im Mai sich einer für sie schwierigen Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen stellen. Sie will Wähler zurückgewinnen, ansonsten kann sie sich in Zukunft kaum mehr als Volkspartei bezeichnen.

Der neue Parteivorsitzende Gabriel hat deutlich gemacht, dass er die SPD von vermeintlich alte Lasten aus Regierungszeiten zu befreien gedenkt. Und er beginnt damit bei Afghanistan, denn eine Mehrheit der deutschen Wähler sieht die Operation am Hindukusch seit langem mit großem Misstrauen.

Nun ist es nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht einer Oppositionspartei, die Regierung aus Eigennutz in allen politischen Fragen zu treiben, selbst in schwierigen außen- und militärpolitischen Fragen. Bislang konnte man der SPD nicht den Vorwurf des Populismus machen.

Früher als Union und FDP korrigierte sie ihren Kurs, begann noch als Regierungspartei, wenngleich vorsichtig, die Debatte über Sinn und Zweck des Einsatzes, die in Deutschland längst überfällig war.

Mit der Festlegung auf ein Datum geht die neue SPD-Spitze aber ein hohes Risiko ein, innenpolitisch, nicht am Hindukusch. Kein Mensch glaubt ernsthaft, dass die Taliban-Kämpfer ihre Angriffspläne nach den Forderungen einer deutschen Oppositionspartei ausrichten.

Aber: die SPD riskiert, Glaubwürdigkeit zu verlieren. Wenn Steinmeier tatsächlich glaubt, ein kompletter Abzug der Bundeswehr sei bis 2015 möglich, hätte er es schon im Wahlkampf sagen und begründen können.

Die SPD stellt auch das Vertrauen ihrer Mitglieder und Anhänger auf die Probe. Sollte sie, was derzeit schwer vorstellbar ist, 2013 tatsächlich wieder den Kanzler oder den Vizekanzler stellen, muss sie ihre Basis in Sachen Afghanistan vielleicht enttäuschen.

Vielleicht wird die Bundeswehr dann noch einige Jahre bleiben müssen, aus welchen Gründen auch immer.

Dann aber hätte die SPD ein Wort gebrochen.

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