SPD-Abstimmung:Gabriel hat die Ceta-Gegner gestreichelt, nicht überzeugt

SPD-Parteikonvent in Wolfsburg

SPD-Chef Sigmar Gabriel spricht auf dem Parteikonvent.

(Foto: dpa)

Der SPD-Chef hat die Abstimmung über das Freihandelsabkommen zwar gewonnen. Seine Kritiker sind aber nicht besänftigt. Die SPD will sich lediglich im Wahlkampf nicht selbst köpfen.

Kommentar von Heribert Prantl

Von den bisher 18 Wirtschaftsministern der Bundesrepublik kamen vier von der CDU/CSU, acht von der FDP und fünf von der SPD. Diese Zahlen stehen nicht automatisch für den Grad an Kompetenz. Der erste Wirtschaftsminister, Ludwig Erhard, CDU, war es glorreiche 14 Jahre lang. Gabriel ist nun der fünfte Sozialdemokrat an der Spitze des Ministeriums; er ist nicht der geringste in der Reihe. Er füllt das Amt aus, gibt ihm Kontur; er steuert die Wirtschaftspolitik, anders als sein FDP-Vorgänger Philipp Rösler, nicht ins Nichts.

Und er versteht es, sich durchzusetzen, wie sich beim Parteikonvent in Wolfsburg und bei der dortigen Abstimmung über den Freihandelsvertrag Ceta gezeigt hat. Trotzdem war und ist er der falsche Mann in diesem Amt, weil er auf Schritt und Tritt sich selbst als Parteichef in die Quere kommt. Parteichef und Wirtschaftsminister zugleich: Das verträgt sich bei der FDP, nicht aber bei der SPD. Das ist hier eine contradictio in adjecto, ein rundes Viereck.

Gabriel wollte zeigen, dass die SPD Wirtschaft kann

Karl Schiller, dem legendären SPD-Wirtschaftsminister (er saß in den Kabinetten Kiesinger und Brandt I) wäre es niemals eingefallen, ein hohes Parteiamt anzustreben. Er schuf das berühmte Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft. Gabriel wurde Wirtschaftsminister, um einerseits die Wirtschaft, andererseits die SPD zu stabilisieren und wachsen zu lassen: Er wollte als Parteichef zugleich die Wirtschaftskompetenz der SPD demonstrieren, er wollte zeigen, dass die SPD Wirtschaft kann. Das ist ehrenwert, aber nicht die originäre Aufgabe des Parteichefs.

SPD-Chef und Wirtschaftsminister: das ist eine Versuchsanordnung, welche die SPD zerreißt - auch wenn die Mehrheit für Gabriel bei der Ceta-Abstimmung stattlich aussieht. Sie ist dem Wahlkampf geschuldet, der nicht mit der politischen Enthauptung des Parteichefs beginnen sollte. Gewiss: Gabriel hat einiges erreicht in den Ceta-Nachverhandlungen; aber den vielen Ceta-Kritikern in und außerhalb seiner Partei reicht das nicht.

Er hat die Kritiker gestreichelt, überzeugt hat er sie nicht

Für viele ist nur ein totes Ceta ein gutes Ceta. Sie sind traumatisiert von den neoliberalen Erfahrungen und haben keine Lust darauf, dass die SPD und die Republik in den alten Gleisen, wenn auch mit von Gabriel angezogener Bremse, weiterfährt. Viele Sozis sehnen sich danach, dass die SPD wieder Anschluss hat an eine der großen gesellschaftlichen Bewegungen der Gegenwart, wie sie die Anti-TTIP- und Anti-Ceta-Bewegung darstellt. Diesen Anschluss findet Gabriel nicht, auch wenn er die kritischen Debatten über Ceta noch so lobt. Er hat die Kritiker gestreichelt; überzeugt hat er sie nicht.

Idealiter sieht die Arbeitsverteilung in einer Regierungspartei so aus: Die Minister arbeiten an den Projekten der Legislaturperiode, unterliegen dabei aber koalitionären Zwängen. Die Parteiführung denkt über die Legislatur hinaus, entwickelt große Linien, die sich auch mit der aktuellen Regierungspolitik kreuzen können. Ein solches kluges Spannungsverhältnis zwischen Partei und ihrer Regierungsarbeit kann eine Partei attraktiv machen. Da fehlt nicht nur der SPD einiges.

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